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Die Wickenmayersche kath. Kinderpflege in Würzburg. Heute ist dort eine Einrichtung der Diakonie untergebracht. Foto: Thomas Obermeier
Die Wickenmayersche kath. Kinderpflege in Würzburg. Heute ist dort eine Einrichtung der Diakonie untergebracht. Foto: Thomas Obermeier

Missbrauch im Wickenmayer-Kinderheim: Stadt Würzburg bekennt sich mitverantwortlich

Nicht erst seit gestern ist bekannt, dass in den 1960er und 70er Jahren im Wickenmayer-Kinderheim im Würzburger Stadtteil Grombühl Kinder Opfer von Missbrauch geworden waren. Vor allem die ausführliche Berichterstattung der Main-Post, u.a. Schilderungen von Betroffenen, machten die Zustände öffentlich. Da die „Wickenmayer’sche katholische Kinderpflege“ damals administrativ von der Stadt Würzburg verwaltet wurde, galt es, sich mit den Missbrauchsvorfällen auseinanderzusetzen.

Am Donnerstag wurde nun im Stadtrat einstimmig beschlossen, ehemalige Heimkinder der „Wickenmayer’schen katholischen Kinderpflege“, die in den 1960er- und 1970er-Jahren Missbrauch und Gewalt erfahren haben, um Verzeihung zu bitten und den Geschädigten Soforthilfen zu zahlen, das gab eine Sprecherin der Stadt in einer Pressemeldung bekannt.

OB Schuchardt: „Ich glaube den Opfern.“

Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Sozialreferentin Dr. Hülya Düber haben den Beschlussvorschlag eingebracht, nachdem in der Vergangenheit mehrere Personen auf die Stadtverwaltung zugekommen waren, die glaubwürdig von Gewalterfahrungen im Kinderheim berichtet haben. Es gehe dabei um die Fälle, in denen die damalige städtische Jugendamtsleitung bekanntgewordene Vorfälle nicht ernst nahm, das Kindeswohl nicht beachtete und die Fürsorgepflicht verletzte, heißt es.

Schuchardt stellt klar: „Ich glaube den Opfern. Die Erlebnisse, die mir geschildert wurden, sind schrecklich. Oberste Aufgabe des Jugendamts ist Kinderschutz. Wenn Kinder aus ihren Familien genommen werden müssen und zu ihrem eigenen Schutz in Pflegefamilien oder in Kinderheimen unterkommen und dann dort Gewalterfahrungen machen, ist dies eine Tragödie. Diese Kinder waren der Stadt Würzburg anvertraut. Leider ist die Vergangenheit nicht wiedergutzumachen. Die Stadt Würzburg übernimmt aber die moralische Verantwortung als Jugendamt gegenüber den Betroffenen und erkennt deren seelisches und körperliches Leid an.“

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Vorwurf des rituellen Missbrauchs im Wickenmayer-Kinderheim

Anteilnahme, ein Stück Gerechtigkeit und Unterstützung

Mit dem Beschluss sollen Betroffene, wenn auch erst sehr spät, Anteilnahme, ein Stück Gerechtigkeit und Unterstützung erfahren. Die Stadt übernehme damit die moralische Verantwortung als Nachfolgerin des damaligen städtischen Jugendamtes: „Wir gehen heute selbstkritisch, authentisch und fair mit allen Fällen um. Diesen Maßstab müssen wir auch für die Vergangenheit anlegen“, so OB Schuchardt.

Die „Wickenmayer’sche katholische Kinderpflege“

Die „Wickenmayer’sche katholische Kinderpflege“, ein Kinderheim im Würzburger Stadtteil Grombühl, wurde im Jahr 1907 gegründet, ermöglicht durch die Einrichtung der Wickenmayer-Stiftung. Für die administrative Verwaltung, nicht aber den operativen Betrieb, war lange Zeit die Stadt Würzburg zuständig. Seit einigen Jahren wird die Stiftung aber durch die Stiftungsverwaltung des Bürgerspitalstiftung verwaltet. Für die pädagogische Betreuung der Heimkinder wurde die „Kongregation der Schwestern des Erlösers“ eingesetzt. Ab dem Jahr 1996 übernahm die Einrichtung schließlich die Diakonie. Kinder und Jugendliche wurden maximal bis zum 18. Lebensjahr vom Jugendamt im Wickenmayer-Kinderheim untergebracht.

Zahlungen sind kein Schmerzensgeld

Nachdem Beschluss des Stadtrates habe die Stadt Würzburg die Erlöserschwestern nun über die städtischen Anerkennungsleistungen als damalige operative Verwalterin der „Wickenmayer’schen katholischen Kinderpflege“ informiert. Bei den finanziellen Leistungen der Stadt handele es sich um eine Leistung, die sich auf das Fehlverhalten der Verwaltung beziehe, in Verantwortung für die damaligen Kinder. Es sei nicht als Schmerzensgeld für die tatsächlichen, begangenen Taten zu verstehen, heißt es seitens der Stadt.

Betroffene erhalten sofortige Anerkennungsleistung

Betroffenen, die Gewalterfahrungen in der „Wickenmayer’schen katholischen Kinderpflege“ gemacht haben, werde auf Antrag und nach einer Plausibilitätsprüfung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die freiwillige städtische Anerkennungsleistung gezahlt.

Betroffene können sich an den Leiter des städtischen Fachbereichs Jugend und Familie (Gunther Kunze, gunther.kunze@stadt.wuerzburg.de, Tel. 09 31/37-23 44) wenden.

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