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DJ John bei der Arbeit. Foto: Andreas Kneitz
DJ John bei der Arbeit. Foto: Andreas Kneitz

DJ John: „Es hat lange gebraucht, bis ich Mittwochnacht wieder schlafen konnte“

1996 war Hip-Hop noch nicht in der Region angekommen. Ercan Karademir alias DJ John hingegen schon. Mit einer Menge szeniger Platten im Gepäck hat der in der Türkei geborene DJ den Weg für Hip-Hop-Sound in Würzburg und Schweinfurt geebnet. Der heute 56-Jährige gestaltete fast zwei Dekaden im Airport und gehört damit bis heute zu den Urgesteinen der DJ-Szene in der Gattingerstraße.

Vom Auflegen in der Kaserne und dem Schmetterlings-Start im Air

Fangen wir diesen Absatz mit noch so einer Jahreszahl an: 1988. DJ John hatte erstmals Platten aufgelegt, ein afroamerikanischer Sergeant hatte ihm den Umgang mit zwei Turntables in der Türkei beigebracht. „Ich habe dann selbst in der Army-Kaserne der US-Amerikaner aufgelegt, richtig Hardcore-Hip-Hop. Im Sommer musste ich mich den türkischen Tourismushochburgen hingegen schon verbiegen und habe alles Mögliche aufgelegt. Das hat aber großartig Spaß gemacht, das Nachtleben, ich war jung, die Mädels, das Geld.“

Mitte der 90er-Jahre zog Ercan Karademir inklusive Plattensammlung nach Deutschland. „Ich habe eine Deutsche geheiratet, die wollte, dass ich zu ihr ziehe.“ Im Februar 1995 landete der Türke im kalten Deutschland, nur vier Wochen später sollte er erstmals an den Plattentellern stehen: „Schon im März 95 habe ich schon im Eastside in Schweinfurt angefangen aufzulegen. Die haben mir einen eigenen Tag am Donnerstag gegeben, das war eigentlich ein toter Tag. Das war aber nach wenigen Monaten immer voll. Ich musste schon Crossover spielen, also Misch-Masch. Es war mir immer egal, was ich gespielt habe, solange ich das im Hip-Hop-Style machen konnte. Manchmal stand vor dem Eastside schon eine Schlange, als ich gerade erst angekommen war.“

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Der gerade neu in Deutschland angekommene DJ John baute sich einen Ruf auf. Ein Bekannter des heute 56-Jährigen, eigentlich ein waschechter Rocker, ebnete ihm den Weg ins Airport. 1996 ging es mit Hip-Hop im Air los. „Das war zu der Zeit nicht im Trend, wir haben die Partys mit 50 bis 100 Leuten angefangen aber nicht aufgegeben und es geschafft, dass wir dreimal die Woche erfolgreiche Partys machen konnten.“ Die Events wurden so groß, dass irgendwann zum alten Airport ab 1998 noch der gesamte Soundpark nebenan dazu genommen wurde.

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Hip-Hop lebt der 56-Jährige Ercan Karademir bis heute. Foto: Andreas Kneitz

13.000 Platten nennt DJ John sein Eigen

Er kämpfte lange für die Hip-Hop-Kunst mit Vinyl, heute spielt er immer noch auf Plattenspielern – wenn auch mittlerweile mit Laptop und dem Programm Serato. Ein Musiksammler ist er ohnehin. 7000 Platten habe er allein in seinem Wohnzimmer in Geroldshausen, mit seiner Sammlung im Keller seien es 13.000. „Ich hätte mehr als ein Haus davon kaufen können“, sagt Karademir. „Im Monat habe ich früher manchmal zwischen 300 und 1000 Mark für Platten ausgegeben. Wir waren echt neugierig, vor allem zu der Zeit, als wir deutschlandweit unterwegs waren und ich immer aktuell bleiben musste.“ Heute hilft ihm auch sein jüngerer Sohn beim Finden neuer Musik: „Der kann super tanzen und bringt mir immer mal wieder eine Liste mit neuen Liedern. Da muss ich ihn manchmal sogar fragen, was angesagt ist, da kennt er die neuen Sachen besser als ich.“

Was zwischen 1996 und 2014 im Airport lief

In der guten alten Zeit im Airport spielte John für eine Menge bekannter Hip-Hop-Artists das Warm-Up. Beispielsweise bei Terminal Swap oder dem Osterjam, beides Veranstaltungen vom heutigen Würzburg-macht-Spaß-Geschäftsführer Wolfgang Weier. „Bei Terminal Swap war dann im T1 auch mal Hip-Hop, sonst lief dort immer Techno. Deichkind, Massive Töne, Blumentopf oder DJ Tomekk waren zu Besuch und ich konnte mit den ganz Großen auflegen. Ich hatte mich damals mit deutschem Hip-Hop überhaupt nicht ausgekannt, aber es war ein Highlight, das kennenzulernen und das aufzulegen.“ Die Zeit war derart intensiv, dass DJ John dreimal pro Woche auflegte. Immer mittwochs, beim Doppeldecker oder auch samstags beim Power Day. „Das war so in mir drin, es hat lange gebraucht, bis ich Mittwochnacht wieder schlafen konnte“.

Überhaupt erinnert sich Ercan Karademir an viele Wegbegleiterinnen und -begleiter von früher gerne. „Ich habe mich unter der Führung von Rudi Schmidt einfach total wohlgefühlt. Er ist eine Legende und für mich war das Airport mein zweites Zuhause.“ Der damalige Geschäftsführer Peter Hugo, die Türsteher David Obermayer und Carsten Adamek hätten so viel geleistet. Kassiererin Nicole sei für das Verteilen ihrer Anschisse bekannt gewesen, „trotzdem lieben wir sie heute immer noch wie früher.“ Barkeeperin Nadine „Naddl“ Hofmann sei für ihn ebenfalls ein Goldstück gewesen. Und der damalige „Aufräumer“ Hashid habe teils immer volle Getränke am DJ-Pult aufgeräumt, „der war dann auch ab eins eh immer selbst besoffen, aber er hat seine Arbeit gemacht“, sagt John und lacht.

Nie wieder als Englisch-Sprachlehrer gearbeitet

DJ John ist ein geborener Musikselektor. Deshalb hat der DJ seinen Job auch niemals mehr gewechselt. „Ich bin eigentlich Englisch-Sprachlehrer, habe aber ab 1991 professionell aufgelegt und bis heute keinen Tag mehr als Sprachlehrer gearbeitet.“ Vermissen würde er den alten Job nicht, heute ist der ehemalige Airport-Resident-DJ noch etwa viermal pro Monat im Club unterwegs. „Unter der Woche kann ich nachts gut schlafen, aber kaum ist Freitag, bin ich wach“, bestätigt der Geroldshausener seinen Lebensstil.

Einmal wach, ist er dann auch wieder unterwegs, mal im Zauberberg, mal in der Susi in Schweinfurt oder auch ausgewählt in anderen Clubs in ganz Deutschland. Präsentiert seine Liebe zum Hip-Hop, und freut sich „dass er zumindest so die Jugend erziehen kann, wenn schon nicht als Sprachlehrer.“ Zur Entspannung hört der gebürtige Türke selbst nie Musik. „Bei mir ist die Musik so im Blut, dass wenn sie läuft, ich auch direkt dazu arbeiten muss.“

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