Würzburg ist Europameister! Bei der europäischen Fußball-Hochschulmeisterschaft im albanischen Tirana vergangener Woche waren die Studentenauswahl der Universität Würzburg und der TH Würzburg-Schweinfurt nicht zu schlagen. Am Sonntag gewannen sie das Finale gegen die Elf der Universität Danzig mit 3:1. Ein Mann, der an diesem außergewöhnlichen Erfolg des Studententeams maßgeblich beteiligt war, ist deren Trainer Gerhard Bömmel. Wir sprachen mit dem Erfolgscoach im Interview darüber, warum ausgerechnet Würzburg eine derart gute Hochschulmannschaft hat, was ihm in der albanischen Hauptstadt gestört hat und welche klassischen deutschen Tugenden beim Turnier ausschlaggeben waren.
Würzburg erleben (WE): Seit wann trainierst du die Hochschulmannschaft und wie bist du dazu gekommen?
Gerhard Bömmel: Ich trainiere die Mannschaft bereits seit dem Sommersemester 2014. Damals hat mich Gerot Haubenthal, der lange im Hochschulsport der Uni Würzburg arbeitete und gerade mit der Fußball-Damenmannschaft deutscher Meister wurde, angesprochen, ob ich das übernehmen würde. Ich konnte mich schließlich mit dem Gedanken sofort anfreunden.
Studium und hochklassiger Amateurfußball lassen sehr gut kombinieren
WE: Der Euro-Sieg war ja nicht der erste große Erfolg der Hochschulmannschaft in den letzten Jahren. Unter Dir gewann das Team bereits 2014, 15, 16 und 19 die Hochschulmeisterschaft. Woher kommt das, wo doch Würzburg kaum ein Angebot an Sportstudiengängen und kein großes Leistungszentrum einer Profimannschaft hat?
Gerhard Bömmel: Man muss ja nicht Sport studieren, um ein guter Fußballer zu sein. Würzburg ist zwar keine große Sportstadt wie zum Beispiel Köln oder Frankfurt. Dennoch gibt es hier viele gute Spieler. Ich denke, eine Spielerkarriere in den obersten Amateurligen und ein Studium lassen sich gut miteinander vereinbaren. Und dafür herrschen in und um Würzburg mit Vereinen wie dem FV 04 Würzburg oder der TG Höchberg gute Bedingungen.
WE: Was zeichnete die Mannschaft in diesem Jahr aus?
Gerhard Bömmel: Wir hatten schon immer eine hohe Qualität und einen sehr großen Zusammenhalt. Dieser besondere Teamgeist wird von erfahrenen Spielern wie dem Spielführer Stefan Wasser, der schon seit 2015 in der Mannschaft ist, immer wieder an den Neuzugängen weitergebeben. Spieler wie ihm war es auch zu verdanken, dass die Turniere gut gelaufen sind, weil er sich wie viele andere vor allem im Umfeld stark engagiert hat, zum Beispiel bei der Flugbuchung nach Albanien. Dieses Jahr waren wir in der Breite im Kader sehr gut aufgestellt. Deshalb habe ich mir im Vorfeld dieses Turniers schon viel ausgerechnet, auch wenn die Konkurrenz natürlich sehr groß ist.
Bei der Euro fast alle wichtigen Spieler zur Verfügung
WE: Wie kommt es, dass es bei der deutschen Meisterschaft nicht ganz zum Titel gereicht hat, dass es aber am Ende auf internationaler Ebene geklappt hat?
Gerhard Bömmel: Das ist einfach zu erklären: Bei der deutschen Meisterschaft haben uns noch mehrere wichtige Spieler gefehlt, unter anderem, weil sie im Saisonfinale nicht von ihren Vereinen freigestellt wurden. Deshalb wurden wir am Ende „nur“ Zweiter. Bei der Euro konnte ich dann fast aus den Vollen schöpfen.
WE: Waren bei der Euro klassische deutsche Tugenden, wie Teamgeist, Einsatz und Moral gefragt?
Gerhard Bömmel: Teils, teils. Unser besonderer Teamgeist war schon wichtig und die Spieler haben den nötigen Einsatz gezeigt. Trotzdem können die Jungs auch einfach gut kicken und sind mit ihrer Spielfreude richtig aufgeblüht.
WE: Was war für dich während des Turniers ein echter Wow-Moment, der dich positiv überrascht hat?
Gerhard Bömmel: Die Studentinnen der Frankfurter Goethe-Universität haben ebenfalls in Tirana bei der Euro der Frauen gespielt. Die haben uns dann bei den letzten Spielen echt stark angefeuert. Der deutsche Meister bei den Männern der Uni Heidelberg zum Teil auch. Diese unerwartete Unterstützung war schon toll.
Die Hauptstadt Albaniens eine einzige riesengroße Baustelle
WE: Wie war das Umfeld beim Turnier und am Spielort Tirana generell?
Gerhard Bömmel: Ehrlich gesagt fand ich es dort gar nicht so toll. Tirana soll zu einer beeindruckenden Hauptstadt umgebaut werden. Aber aktuell ist die Stadt deshalb eine einzige riesengroße Baustelle. Leider fand das Finale dann doch nicht, wie im Vorfeld angekündigt, im Air Albania Stadion statt (mit 22.000 Sitzplätzen das größte Stadion des Landes, Anm. d. Red.) – ein kleiner Wehmutstropfen des insgesamt großartigen Turniers.
WE: Nach der Euro ist vor der Weltmeisterschaft. Wann und wo findet die denn statt?
Gerhard Bömmel: Das steht bisher noch nicht genau fest. Geplant ist sie wohl erst im nächsten Jahr. Wahrscheinlich findet das Turnier wieder in China statt, wie bereits 2019 als wir uns ebenfalls qualifizierten.
WE: Schon seit neun Jahren trainierst du die Würzburger Hochschulmannschaft. Heißt es nach diesem großartigen Triumpf nun „Aufhören, wenn es am schönsten ist“?
Gerhard Bömmel: Ja, ich spiele mit dem Gedanken, aufzuhören. Der Zeitfaktor spielt dabei auch eine Rolle, vor allem wenn es zu den Turnieren geht. Ich bekomme für das Training der Hochschulmannschaft ja nur die Trainingseinheiten am Mittwoch als Übungsleiterpauschale bezahlt, die Turniere nicht. Für die Turniere muss ich mir extra Urlaub von meinem Vollzeitjob nehmen. Außerdem habe ich mich in den letzten Jahren über das (Miss-)management des Allgemeinen Deutschen Hochschulverbands (ADH) geärgert. Aber noch steht nichts fest. Wichtig ist mir vor allem, dass ich das Traineramt und das drumherum in gute Hände gebe, wenn ich aufhöre.
Zur Person:
Gerhard Bömmel ist beim Turniersieg vergangenen Sonntag 59 Jahre alt geworden und wohnt in Höchberg. In seinem Heimatort arbeitet der frisch gebackene Großvater als Hausmeister in der Mittelschule. Der Trainer ist Fußballer durch und durch; Fußball ist für ihn „das schönste Spiel auf der Welt“. Bei seinem Heimatverein war Gerhard Bömmel lange Jahre Jugendtrainer und zuletzt Co-Trainer der Landesligamannschaft. Dazwischen war er bereits Trainer beim SV Erlenbach und beim TSV Uettingen.