Kommentar zum plötzlichen Kurswechsel beim Hafensommer
Ein satirischer Kommentar von Philipp Heilgenthal.
Nach dem Skandal um Layla hat es Würzburg mit dem Wurstreit wieder mal bundesweit in die Schlagzeilen geschafft. Nun, wohl auf dem Höhepunkt der kulinarischen Eskalation, dürfte eine überraschende Mitteilung der Stadt Würzburg den emotionalen Streit um die Speiseauswahl beim Hafensommer 2023 schlagartig beenden. Da es mittlerweile schwerfällt, das Thema weiterhin ernst zu nehmen, folgt ein kleiner satirischer Rück- und Ausblick zur neuen kulinarischen Hafensommermeile.
Erhitzte Gemüter, Medienzirkus und ein folgenschweres Missgeschick
In Würzburg ging es wochenlang (nur) um die Wurst. Wie berichtet, erhitzte die Ankündigung eines rein vegetarischen Hafensommers die liberal-konservativen Gemüter im Stadtrat derart, dass man auf ihren rauchenden Köpfen ein Steak locker „medium well“ hätte brutzeln können. Die Berichterstattung unserer Redaktion und der Main-Post brachte einen Medienzirkus nach Würzburg, der dem Weihnachtszirkus von Circus Krone gut und gerne Konkurrenz hätte machen können.
Plötzlich sagten selbst große private TV-Sender „Servus“, große Medienhäuser „schauten am Abend“ vorbei, machten sich ein „Bild“ vom geplanten vegetarischen „Stadtfest“ am Alten Hafen in Würzburg und fragten kreuz und „quer“ in der Bevölkerung nach, was sie davon halten. Die verwirrende Überschrift des erstgenannten Privatsenders, die man folgenschwer missverstehen könnte, brachte wiederum Wolfgang Weier, der Organisator des einzig wahren und ganz und gar nicht fleischfreien Würzburger Stadtfestes, zum Kochen wie Kesselfleisch. Das Missgeschick ist dem österreichischen Sender offensichtlich so peinlich gewesen, dass er den Beitrag inzwischen aus der Mediathek genommen hat.
Die Koalition der Fleischwilligen und die Hans-Wurst-Reaktion darauf
Da einige Stadträte bereits Angst vor der vegetarischen Zwangsrevolution von oben hatten, die bald auch das Kiliani erfassen könnte, bildete sich kurzerhand eine Koalition der Fleischwilligen, bestehend aus Obergrill- äh -bürgermeister Christian Schuchardt, FDP/Bürgerforum FWG-FW und – wer hätte das gedacht – CSU, getreu den Leitlinien ihres Bayerischen Bratwurstkönigs Markus dem Ersten. „Volle Segel in Richtung Wahlkampf setzen. Wir gehen auf Stimmenfang!“, hört man da schon den CSU-Steuermann rufen.
Dieses Bündnis forderte in einem Eilantrag, die „erzieherische und übergriffige Sortimentsvorgabe“ zurückzunehmen. Derweil zeigte sich Achim Könneke, Kulturamtsleiter und damit „Steuermann des Hafensommers“ – wie die Stadt Würzburg nun in ihrer Pressemitteilung selbst schreibt – zunächst von dieser „Wurstkoalition“ unbeeindruckt und machte sich in einem Spiegelinterview mit Verunglimpfungen wie „Metzgerstochter“ (Annette Hollerbach) und „Großbauer“ (Wolfgang Roth, beide CSU) selbst zum Hans Wurst. Das kam bei den Betroffenen selbstverständlich gar nicht gut an, denen ihr Braten sicherlich sauer aufstieß, als sie das Interview lasen.
Am Ende sitzen alle im selben Boot
Indes dürfte sich die Backbordseite des Stadtrats über den Ärger auf der Steuerbordseite mächtig ins Fäustchen lachen, ohne dass sie für diese Eskalation auch nur eine verbale Breitseite dafür abfeuern mussten. Allerdings sollte selbst die Backbordseite gemerkt haben, dass der Streit ganz schön aus dem Ruder läuft und sie eigentlich mal gegensteuern müsste. Schließlich sitzen im Würzburger Stadtrat am Ende doch alle im selben Boot. Und dieses steuert mal wieder direkt auf das Riff der Lächerlichkeit zu und droht dort festzustecken.
Der Steuermann rudert plötzlich zurück
Wohl deshalb wechselt der Steuermann des Hafensommers seinen Kurs: Obwohl der Bratwurstantrag wahrscheinlich keine Mehrheit im Stadtrat gefunden hätte, da die Backbordseite zu stark bemannt ist, rudert Könneke mit seiner Kulturamtsgaleere plötzlich zurück und dem „Hafenkapitän“, wie die Stadt Oberbürgermeister Schuchardt in ihrer Mitteilung nennt, schnurstracks entgegen. Denn ein Hafenschreier verkündet nun aufgeregt: „Die Schiffsköchin hat mitgeteilt, dass sie neben vegetarischen Angeboten auch eine regionale Biobratwurst anbieten und den Grill schon vorheizen wird.“ Damit werde „für das leibliche Wohl an den Abenden in gewohnter Qualität gesorgt“.
Was sind die Folgen des Kurswechsels vom Kurswechsel?
Nur wird den meisten Passagieren dieser Kurswechsel vom Kurswechsel auf dem Hafensommer völlig wurst sein, haben sie sich doch in den vergangenen Jahren bereits an fleischfreien Proviant gewöhnt. Stellt sich also die Frage, ob die Biobratwurst am Ende Backbord (für alle Landratten: links) liegen gelassen wird, da die meisten Gäste dieser Kulturveranstaltung – man glaubt es kaum – eigentlich sowieso nur wegen der Musik kommen.
Droht am Ende mangels Nachfrage ein Eigentor in der Klimabilanz der Veranstaltung, weil Tonnen von Wurstmassen unverzehrt bleiben und weggeschmissen werden müssen? Oder glänzt die Wurstkoalition nach dem Hafensommer abermals mit Aktionismus und lädt zum Resteessen im Rahmen eines Helferfestes ein? Oder zettelt eine Hand voll grüner Matrosen im Stadtrat eine vegetarische Meuterei an, um den Kurs abermals zu wechseln? Man sieht: in der Causa „Bratwurstsommer“ bleibt es weiterhin spannend.