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Eine große Gemeinschaft: Filip Simonovski (vorne rechts) mit seinen Freunden an seinem Geburtstag 2019 in seinem damaligen  Ersatzwohnzimmer, dem Gemeinschaftsraum des Wohnheims am Hubland. Foto: Filip Simonovski.
Eine große Gemeinschaft: Filip Simonovski (vorne rechts) mit seinen Freunden an seinem Geburtstag 2019 in seinem damaligen Ersatzwohnzimmer, dem Gemeinschaftsraum des Wohnheims am Hubland. Foto: Filip Simonovski.

Campuskenner: Filip Simonovski über geilste und schlimmste Zeiten im Wohnheim

Es gibt an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Menschen, die dort als Originale gar nicht mehr wegzudenken sind. Echte Campuskenner, die in ihrer engagierten Zeit an der Uni schon zahllose Menschen kennengelernt und die schon so manch eine Veränderung an der Hochschule und im studentischen Leben mitgemacht und mitgeprägt haben. In unserer Serie Campuskenner werden wir deshalb solche Uni-Berühmtheiten – von Student über Dozent bis Mensakoch –  näher vorstellen.

Würzburger Ersti-ABC

Dieses Mal wird Filip Simonovski präsentiert: Acht Jahre lang Bewohner im Wohnheim am Hubland, mehr als sechs Jahre davon Tutor des Studentenwerks, darunter zwei Jahre einer der übergreifenden, sprich Cheftutoren, bekannt bei unzähligen Studentinnen und Studenten aus allen Wohnheimen und damit sicherlich einer der erfahrensten Wohnheimstutoren der gesamten Universität Würzburg (gewesen). Er erzählt vom 20-Euro-Deckel im „Karriere Knick“, vom absoluten Ausnahmezustand auf dem Hublandcampus, warum im Barraum im Leo jedes Mal Jacken verschwinden und von der mit Abstand schlimmsten Zeit für ihn und alle anderen im Wohnheim.

Würzburg: Eine Stadt voller Studentenwohnheime

Studentenwohnheime prägen nicht nur das Bild auf dem Hublandcampus sondern der ganzen Stadt Würzburg. Allein das Studentenwerk unterhält elf verschiedene Wohnheime in Würzburg mit über 2.700 Wohneinheiten. Dazu kommen diverse Studentenwohnheime anderer Träger wie das neue und bisher größte, namens „522 Apartunities“ an der Grombühlbrücke. Selbstverständlich unterscheidet sich das Zusammenleben in diesen studentischen Domizilen grundlegend von dem in herkömmlichen Wohnungen. Davon kann Filip Simonovski mehr als nur ein Lied singen. Vielmehr eine ganze Serie von Opern.

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Aus der spontanen Notlösung wurden acht Jahre

Dafür, dass er damals ein Zimmer im Wohnheim am Hubland nur zufälligerweise als Notlösung bekommen hat, ist der 27-Jährige erstaunlich lange dort geblieben. Im Herbst 2014 war das, als er von Mazedonien nach Würzburg kam und ihm bei der Wohnungssuche plötzlich alle Felle wegschwammen. Erst im vergangenen Herbst, also acht Jahre später zog er dort aus. „Zu Beginn war ich zunächst sehr enttäuscht, wie anonym und kaltherzig es unter den Bewohnern zuging“, erinnert sich der Mazedonier. Er verspürte den großen Drang, selbst etwas daran zu ändern und bewarb sich bereits ein Jahr später erfolgreich als Tutor für sein Wohnheim. „Das Studentenwerk hat gemerkt, dass ich richtig Lust darauf habe, da ich mich seit Jahren als Einziger einfach intitiativ beworben habe“, erzählt der Informatiker.

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Filip Simonovski einmal öfter hinter der Bar seines Wohnheims am Hubland engagiert. Foto: Filip Simonovski.

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Gleich ein großes Netzwerk aufgebaut

Im ersten Jahr an der Uni Würzburg war der Informatikstudent für seinen Studiengang vorerst nur bedingt zugelassen, da er dafür zunächst das Sprachniveau C1 erwerben musste. In den Sprachkursen traf er auf andere internationale Studentinnen und Studenten, die sich ebenfalls mittel- bis langfristig eine Zukunft in Würzburg aufbauen wollten und ungemein kontaktfreudig waren. „Mit vielen aus dieser Zeit habe ich heute noch regen Kontakt“, erzählt Filip. So hatte er bereits zu Beginn seines Tutordaseins ein großes Netzwerk aufgebaut – fast alle Internationals der Uni Würzburg wohnen in Wohnheimen. „Das ist auch wichtig, dass du vor Ort viele Leute kennst, die du persönlich ansprechen kannst und für Veranstaltungen motivieren kannst“, erklärt der erfahrene Tutor.

Hublandbewohner leb(t)en wie auf einer Insel – Nachtbusse als Gamechanger

Natürlich war der Student bereits im ersten Semester auf allen möglichen Partys und anderen Veranstaltungen in den Wohnheimen unterwegs: „Damals waren wir am Hubland noch krasser isoliert als heute, wie auf einer Insel. Es gibt dort ja immer noch gar nichts in der Nähe zum Ausgehen.“ Die für den Hubland wirklich lebensverändernden Nachtbusse gibt es schließlich erst seit 2017. Wer davor in der Innenstadt feiern ging, musste am Ende entweder den weiten, hohen Berg nach Hause laufen oder ein Taxi nehmen, was den meisten zu teuer war. „Deshalb waren wir voll auf die Veranstaltungen in den Gemeinschaftsräumen angewiesen.“

„Filip weiß das schon“

Und das war auch Filips Antrieb, etwas in seinem Wohnheim zu bewegen und das Freizeitangebot attraktiver zu gestalten. „Mir war es wichtig, dass jeder die Chance bekommt, seine Nachbarn kennenzulernen und ganz einfach Anschluss finden kann“, erklärt er. Deshalb würden die Tutorinnen und Tutoren am Hubland zur Einführungsveranstaltung zu Semesterbeginn auch alle einzeln persönlich an der Tür einladen. Durch seine Erfahrung, seine vielschichtige Vernetzung und sein Engagement entwickelte sich Filip Simonovski zum wohl kompetentesten Tutor des gesamten Studentenwerks. Wie er aus Bescheidenheit selbst ungern zugibt, hätte sich der Tutor bei den Bewohnerinnen und Bewohnern im Laufe der Jahre einen Ruf erarbeitet, auf wirklich jede Frage rund ums Wohnheim eine Antwort und eine Lösung zu finden, frei nach dem Motto: „Frag einfach nach Filip, der weiß das schon“.

Mensaparty: Absoluter Ausnahmezustand in allen Wohnheimen

Nicht nur für den Mazedonier bleiben die Mensapartys in der immer noch nicht wiedereröffneten Hublandmensa unvergessen. „Es haben mich inzwischen schon so viele Ersties gefragt, warum die Party in der Posthalle eigentlich ‚Mensaparty‘ heißt“, lacht der langjährige Tutor. Jene können sich auch gar nicht mehr vorstellen, wie es damals auf dem gesamten Hublandcampus zuging. „Die Party an sich war schon immer legendär: Hunderte von Studenten – darunter Scharen von neu angekommenen Ersties – strömten in das Gebäude, wo du sonst dein Mittagessen bekommst und feierten eine unvergleichliche Party gigantischen Ausmaßes!“, schwärmt der 27-Jährige voller Wehmut. Alle seien auf dieser Feier unglaublich motiviert, gut gelaunt und kontaktfreudig gewesen.

Damals der ganz normale Wahnsinn: Die ‚Schlange‘ zur Mensaparty. Foto: Stefan Hölzer.

Zum letzten Mal Mensaparty am Hubland

Doch die Party begann keineswegs erst nach der ellenlangen Schlange vor der Mensa: Vor allem sein Wohnheim zwischen Chemiefakultät und Tegut sei an diesem Tag wie ausgewechselt gewesen. „Am Vortag war noch tote Hose und plötzlich wird in allen möglichen Zimmern vorgeglüht und gefeiert. Überall ging es rund! Da war auf dem gesamten Hublandcampus in allen Wohnheimen absoluter Ausnahmezustand“, erinnert sich der langjährige Hublandbewohner noch genau.

Die Vorzüge von Wohnheimpartys

Vor einigen Jahren noch gab es Phasen, in denen sich Filip und seine Freunde gar nicht entscheiden konnten, auf welche Wohnheimsveranstaltung sie gehen sollten. „Das war schon geil. Damals ging es während des Semesters in fast allen Wohnheimen noch richtig ab, ohne dass sich gleich jemand beschwerte; ganz anders als heute“, schwärmt Filip Simonovski. Die Vorzüge einer Wohnheimparty fallen ihm schnell ein: „Günstige Preise, überall sympathische, offenherzige Menschen und alles verläuft absolut friedlich.“ Auf all den Partys in Wohnheimen seit 2014 hat er wenn überhaupt erst drei ernsthafte Schlägereien erlebt. Ohnehin seien jene Feiern keineswegs mit denen in herkömmlichen Clubs und Bars vergleichbar.

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„Egal ob du chillen, tanzen, Kicker oder ein Brettspiel spielen oder dich unterhalten willst: Es ist in den Gemeinschaftsräumen einfach für jeden etwas geboten“, erklärt der Masterstudent, der bald seine Thesis (Anm. d. Red: Abschlussarbeit) abgibt. „Und es gibt viel bessere Möglichkeiten, dich mit fremden Gruppen auszutauschen und neue Leute kennenzulernen als in Bars, wo jeder nur an seinem eigenen Tisch sitzt.“

Von überschwemmtem Boden und einem Hotelzimmer für den Hausmeister

Dennoch gleiche keinem Wohnheim dem anderen. Jedes der Gebäudekomplexe hat seinen eigenen Spirit. Generell gelte, je größer und je weniger Veranstaltungen desto anonymer. Und auf den jeweiligen Partys gebe es teilweise immer wiederkehrende Phänomene: So sei auf den wilden Partys im Peter-Schneider-Wohnheim der Boden jedes Mal von Bier und Longdrinks regelrecht überschwemmt und im Leo-Weismantel-Wohnheim kämen bei jeder Veranstaltung Jacken abhanden. Filip erklärt: „Die Garderobe ist dort viel zu klein und am Ende finden sich die Betrunkenen in dem Chaos nicht mehr zurecht und krallen sich einfach irgendeine Jacke, die dann nicht mehr zu ihrem wahren Besitzer zurückfindet.“ Er selbst hat deshalb immer einen Zettel mit seinen Kontaktdaten in der Jackentasche liegen.

Das Studentenwohnheim am Hubland mit seinen 376 Wohneinheiten war acht Jahre lang das Zuhause von Filip Simonovski. Foto: Philipp Heilgenthal.

Das Studentenwohnheim am Hubland mit seinen 372 Wohneinheiten war acht Jahre lang das Zuhause von Filip Simonovski. Foto: Philipp Heilgenthal.

Ein echtes Highlight im Jahr sei auch das große Fußballspiel zwischen den Wohnheimen gewesen. „Das war immer super besucht. Die Stimmung war klasse, die Rivalität zwischen den Wohnheimsmannschaften riesig“, erinnert sich der damalige Mitorganisator. Doch nach dem Turnier war beim Grillabend jegliche Rivalität wie weggewischt. Das Traditionsevent sei wie vieles andere in Folge der Corona-Pandemie leider eingeschlafen. Bereits seit Jahrzehnten berühmt berüchtigt sei schließlich auch die Galgenfete im Wohnheim am Galgenberg. „Angeblich hätten die Tutoren schon mehrmals ihrem Hausmeister für diese eine Nacht im Semester sogar ein Hotelzimmer bezahlt, damit sie ungestört feiern konnten“, sagt Filip.

Die legendäre Wohnheimskneipe „Zum betrunkenen Eichhörnchen“

Und da gab es noch eine legendäre, kultige Studentenbar. Das KK ( Abkürzung für „Karriere Knick“), wie die Wohnheimskneipe „zum betrunkenen Eichhörnchen“ im BLLV-Wohnheim in der Nähe der Missionsärztlichen Klinik hieß. Bei Preisen wie 1,50 Euro für ein Augustiner oder 2,80 Euro für ein Cocktail war der Name Programm. „Im Sommer bei offener Tür huschten da schon mal Eichhörnchen von der Terrasse in den Barraum“, erklärt Filip das Maskottchen der gemütlichen Kneipe. In der liebevoll eingerichteten Bar wurden so einige skurrile Traditionen penibel gepflegt (siehe Foto).

Rituale wie diese gibt es natürlich auch in anderen Wohnheimen. Am Galgenberg muss man beispielsweise nach einer 10:0 verlorenen Kickerpartie seine Namen auf die Unterseite des Kickers verewigen, damit diese Schande nie vergessen wird. „Den 20-Euro-Deckel habe ich übrigens wie viele andere nie geschafft“, so Filip über die nicht zu unterschätzende Herausforderung. Leider hatte das KK nach dem ersten Lockdown nie mehr geöffnet, da es einige Zeit später den Renovierungsarbeiten des BLLV-Wohnheims zum Opfer fiel.

Auszug aus der Karte der kultigen Wohnheimsbar „Karriere Knick“ mit der Beschreibung von zwei speziellen Traditionen von dort – unter anderem die nicht zu unterschätzende Herausforderung des 20-Euro-Deckels. Foto: Philipp Heilgenthal.

Lockdown fühlte sich an wie Isolationshaft

Der Wohnheimexperte befürchtet, dass das KK nicht das Einzige ist, was nach Corona nie mehr so sein wird wie früher. Generell waren die Lockdowns für die Wohneimsbewohnerinnen und -bewohner die allerschlimmste Zeit überhaupt: „Wer in einem Einfamilienhaus oder in einer WG wohnt, kann sich gar nicht vorstellen, wie furchtbar es war, alleine in einem 12 m2 kleinen Zimmer wochenlang eingesperrt zu sein. Das fühlte sich wirklich an wie Isolationshaft.“ Daneben fühlte Filip Simonovski eine bedrückende Ohnmacht, da er in dieser furchtbaren Zeit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern aufgrund der strengen Regeln in keiner Weise helfen konnte. „Besonders schlimm war es für die Erasmusstudentinnen und -studenten, die erst kurz zuvor nach Würzburg kamen und völlig alleine in einem fremden Land in ihren Zimmerchen ausharren mussten“, gibt der Masterstudent zu bedenken. Einmal setzte er sich dennoch über die Coronaregeln hinweg, um mit einem Bewohner in dessen Zimmer zu reden, der sich wegen der Vereinsamung währen des Lockdowns in einem psychisch kritischen Zustand befand.

„Die Leute sind seit Corona viel empfindlicher geworden“

Auch wenn die Bewohnerinnen und die Bewohner längst ihre Freiheiten wieder zurückbekamen, sind die Corona-Wunden vom Zusammenleben in den Wohnheimen längst noch nicht verheilt. „Es ist so viel Wissen und Erfahrung darüber verloren gegangen, wie man was vor Corona gemacht hat und was alles los war“, bedauert der Mazedonier. Schließlich hätten die meisten neuen Tutorinnen und Tutoren die Zeit vor dem Lockdown in den Wohnheimen kaum selbst erlebt. Daher war er seit 2020 als Berater der anderen Tutorinnen und Tutor und auch für seine neue Chefin des Studentenwerks gefragter denn je. Die Konsequenz aus dem gezwungenen Bruch gewohnter Abläufe, so Filip: „Sowohl die Quantität als auch die Qualität und die Intensität der Wohneimpartys haben erheblich nachgelassen.“ Außerdem seien seit der Corona-Pandemie sowohl Bewohner als auch Hausmeister und Anwohner von Wohnheimen egal welchen Geschlechts deutlich empfindlicher und sensibler geworden. „Ständig wird irgendwo die Polizei gerufen wenn es mal ein bisschen lauter wird, als handele es sich um ein Senioren- statt um ein Studentenwohnheim“, beklagt der erfahrene Tutor.

Sofas erst vier Jahre nach der Bestellung vom Studentenwerk genehmigt

Natürlich gibt es für einen Wohnheimstutor wie Filip viel mehr als nur Partys zu organisieren. Als sehr gut vernetzter internationaler Student mit guten Sprachkenntnissen war er beispielsweise als wichtige Anlaufstelle für internationale Bewohnerinnen und Bewohner ungemein gefragt. Schließlich würde eine sehr langsame Bürokratie im Studentenwerk die Arbeit der Tutorinnen und Tutoren unheimlich erschweren, wie der 27-Jährige anhand eines Beispiels klar macht. „Eines Tages schimpfte unser Hausmeister, warum drei neue Sofas für den Gemeinschaftsraum angeliefert wurden, ohne dass er davon unterrichtet wurde. Dabei war ich genauso überrascht wie er. Am Ende kam heraus, dass unsere Vorgänger die Sofas bereits vor vier Jahren bestellt haben und sie erst zu diesem Zeitpunkt vom Studentenwerk genehmigt wurden.“

Nach acht Jahren verließ Filip im vergangenen September doch einmal das Wohnheim. Ein knappes Jahr zuvor endete offiziell seine einzigartige Karriere als Wohnheimstutor als er ein Auslandssemester in Vietnam antrat. Dennoch steht er den aktuellen Tutorinnen und Tutoren immer noch mit Rat und Tat zur Seite und besucht natürlich nach wie vor die ein oder andere Wohnheimparty. Und der Uni Würzburg bleibt der baldige Masterabsolvent auch weiterhin erhalten: Im Juni beginnt der Campuskenner an der Fakultät für Informatik seine Promotion.

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