Es gibt an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Menschen, die dort als Originale gar nicht mehr wegzudenken sind. Echte Campuskenner, die in ihrer engagierten Zeit an der Uni schon zahllose Menschen kennengelernt und die schon so manch eine Veränderung an der Hochschule und im studentischen Leben mitgemacht und mitgeprägt haben. In unserer Serie Campuskenner werden wir deshalb solche Uni-Berühmtheiten – von Student über Dozent bis Mensakoch – näher vorstellen. Zu Beginn präsentieren wir Dr. Simone Bonafaccia: Italienischlehrer, Bereichsleiter für Italienisch und gute Seele am Zentrum für Sprache. Unter anderem wird das Phänomen der „Speisekartenitalienerinnen und -italiener“ in seinem Kurs aufgedeckt, und der Italiener verrät, was er an Würzburg und an Franken am meisten schätzt und warum er Anfängerkurse am reizvollsten findet.
Generationen von Studenten Italienisch beigebracht
Wer seit 2003 einen Italienischkurs an der Uni belegt hat, kam mit Sicherheit in den Genuss von ihm unterrichtet zu werden oder er/sie kennt zumindest seinen legendären Ruf als sympathischen, nahbaren und kompetenten Sprachlehrer. Simone Bonafaccia bringt Generationen von Studenten aller Fakultäten nicht nur Vokabeln und Grammatik der italienischen Sprache, sondern auch kommunikative Fähigkeiten und das italienische Lebensgefühl bei. Für viele seiner Schützlinge ist der Italienischkurs das absolute Highlight der Uni-Woche (gewesen). Wer den charismatischen Italiener noch nicht kennt, kann ihn mit seinem Sohn Leonardo in einem Lehrvideo des Kursbuchs „Al Dente“ ab Minute 3:54 (nach einem wunderschönen Würzburg-Panorama) auf Youtube sehen. Übrigens ist Simone Co-Autor dieses Lehrwerks der Fremdsprachdidaktik.
Anfängerkurse als größte und reizvollste Herausforderung
Was bei dem Romanisten und Doktor phil. immer wieder überrascht und erstaunt, ist seine Geduld mit absoluten Anfängerinnen und Anfängern der italienischen Sprache: Statt in Seminaren etwa die Facetten von Dantes Inferno zu analysieren, lehrt der ebenfalls studierte Italienischlehrer Neulingen etwa, sich auf Italienisch vorzustellen und Alltagssituationen zu meistern. „Tatsächlich mache ich die A1-Kurse (niedrigstes zu erwerbendes Sprachniveau, Anm. d. Verf.) sogar am liebsten, weil sie für mich die größte und reizvollste Herausforderung sind: Hier kann ich für die Studentinnen und Studenten den wichtigen Grundstock legen, wie sie mit den für sie geeignetsten Mitteln und Lernprozessen am besten die Sprache lernen können“, erklärt Simone, der eigentlich jeden duzt und von allen geduzt wird.
Hohe Motivation von Studenten in Sprachkursen
Generell genießt er es, an der Uni Sprachkurse zu geben, statt an einer Schule oder einer Volkshochschule. „Ein Student ist generell sehr motiviert und interessiert daran, eine Sprache zu lernen, weil er es im Gegensatz zu einem Schüler freiwillig macht. Für viele ist es eine schöne Abwechslung zum normalen Lehrplan und die Freude und Dankbarkeit, einen kostenlosen Sprachkurs deiner Wahl besuchen zu dürfen, bekommst du dann auch zurück.“ Das Zentrum für Sprache punktet daneben damit, dass dort fast ausschließlich Muttersprachlerinnen und -sprachler unterrichten.
Gleichgesinnte aus allen möglichen Studiengängen
Generell unterscheidet sich ein Sprachkurs an der Uni ungemein von anderen Kursen, da dort alle Studiengänge zusammengewürfelt sind. Dennoch treffen in einem Italienischkurs viele Gleichgesinnte aufeinander, da sie sich logischerweise für Italien interessieren und folglich neugierig für andere Länder und Kulturen sind. Schließlich kommunizieren die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer ständig miteinander, wodurch eine sehr hohe Gruppendynamik entsteht. Schließlich lernen Lehrer wie Simone dadurch immer wieder interessante junge Menschen kennen. „Der Umgang mit jungen Leuten hält mich jung“, meint der 57-Jährige, was unzählige Ehemalige in seinen Kursen bestätigen können.

So sah Simone noch als junger Student in seiner Heimatstadt Florenz aus – für viele kaum zu erkennen. Archivfoto: Dr. Simone Bonafaccia.
„Ich habe meine Kursteilnehmer lieb“
Ohnehin hat Simone eine Begabung, sich auch im fortgeschrittenen Alter auf seine jungen Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer einzulassen und ihre Sympathie zu gewinnen. „Mir ist es wichtig, mit allen eine persönliche Beziehung aufzubauen und dafür zu sorgen, dass sich alle im Kurs wohlfühlen“, betont der Italienischkoordinator. Dadurch würden Hemmschwellen abgebaut werden und man könne die Sprache mit Freude lernen. „Ich habe meine Studentinnen und Studenten wirklich lieb und ich betone am Ende des Semesters immer, wie schade es ist, dass wir uns nicht mehr wöchentlich zusammen sehen.“
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Immer wieder Grußbotschaften von Ehemaligen aus Italien
Seine Beliebtheit bei seinen Italienischschülerinnen und -schülern und deren Dankbarkeit für die dank ihm erzielten Erfolge spiegeln sich in den zahlreichen Feedbacks und Grußbotschaften für ihn wider – natürlich vor allem aus Italien. Immer wieder wird der Dozent auf der Straße von Ehemaligen angesprochen, die mit ihm über Vergangenheit und Gegenwart ausgiebig tratschen. Natürlich interessiert es Simone ungemein, was aus seinen Schützlingen und deren Italienischkenntnissen geworden ist und es erfüllt ihn mit Stolz, wenn sie mit ihm fließend italienisch sprechen. „Wenn ich so nachdenke, überrascht es mich doch, wenn ich von meinen Kursen mal in eine Pizzeria oder mal auf eine Abschlussfeier eingeladen werde, wo ich doch schon so alt bin wie ihre Eltern“, erzählt Simone.
Per Zufall nach Würzburg gekommen und seitdem nicht mehr gegangen
Durch seinen legendären Ruf ist der Florentiner schon seit langem nicht mehr vom Zentrum für Sprachen am Campus Hubland Nord wegzudenken und möchte auch selbst die JMU und Würzburg nicht mehr missen. Dabei waren seine Beweggründe, in die Mainfrankenmetropole zu kommen, völlig pragmatisch und zufällig gewesen. Bereits mit 22 Jahren hat der damalige Romanistik- und Philosophiestudent in seiner Heimatstadt Florenz nebenbei Sprachkurse in Italienisch gegeben. Nach zwei Jahren als Italienischlehrer in Boston, USA, suchte er eine neue Herausforderung und wollte in Deutschland Deutsch lernen und in Philosophie promovieren. Schließlich bekam Simone in Tübingen in der italienischen Fakultät einen Lehrauftrag und konnte seine Doktorarbeit zum Thema „Die Tugend der Toleranz“ erfolgreich ablegen. In einem Intermezzo in der Heimat schloss der neue Doktor ebenfalls ein Masterstudium in Italienisch als Fremdsprache ab. Doch in der Heimat wollte der Florentiner nicht bleiben. Deshalb bewarb er sich an verschiedenen deutschen Hochschulen und bekam schließlich an der Uni Würzburg eine feste Stelle angeboten.
„Franken gehen zum Lachen in den Keller“
Die Domstadt hat er seitdem zu schätzen gelernt, allem voran das kulinarische Angebot. „Ich liebe die echte fränkische Küche!“, schwärmt der Fan von deftigem Essen. Besonders Sauerbraten und Schäufele mit Klößen und brauner Sauce liebe er. Auch die Zuverlässigkeit der Behörden und der Menschen hierzulande möchte Simone Bonafaccia nicht mehr missen. Nicht zuletzt hält ihn neben seiner Berufung auch sein 15-jähriger Sohn in Würzburg. „Was ich in Würzburg wirklich liebe, ist das große, breite Kulturangebot“, verrät der Fan guter Filme. „Das ist für eine Stadt von dieser Größe wirklich nicht selbstverständlich.“
Allerdings hadert Simone manchmal noch immer mit der fränkischen Mentalität: „Der Durchschnittsfranke geht zum Lachen in den Keller“, findet der lebenslustige Italiener. „Zumindest scheint es so, als brauche man in Würzburg immer erst einen Anlass, um locker und lustig sein zu können.“

Wie der Autor dieses Artikels (mit der damaligen Kurskollegin Lea Shabanina und dem Kursbuch in der Hand) haben bereits unzählige ehemalige Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer von Simone eine Dankesbotschaft an ihn gesendet. Foto: Philipp Heilgenthal.
Wandel im Sprachenzentrum: Anfangs nur fünf bis sechs Mitarbeiter
Seitdem der Italienischkoordinator 2003 seine Stelle antrat, hat sich auf dem Campus am Hubland sehr viel verändert, nicht zuletzt im Zentrum für Sprachen. „Anfangs waren wir noch hinten neben dem Rechenzentrum in einem ganz kleinen Bereich untergebracht“, erinnert sich Simone. Damals bestand das Sprachenzentrum gerade einmal aus fünf bis sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Heute koordiniert alleine Simone fünf Lehrbeauftragte für Italienisch – nur eine von zehn Sprachen, die in der ehemaligen Middleschool der U.S. Kaserne auf dem Campus Hubland Nord unterrichtet wird.
Die Sache mit dem Cappuccino und Spaghetti mit Erbrochenem
Und seitdem hat der Italienisch-Chef natürlich auch schon vieles erlebt. Unzählige Male musste er verblüfften Deutschen klarmachen, dass man in Italien Cappuccino nur zum Frühstück trinkt und Bolognese-Sauce gar nicht zu Spaghetti (Achtung bei der Aussprache!), sondern zu Tagliatelle (das „g“ spricht man nicht aus) und zu Tortellini passen. Schließlich gibt es immer wieder Missverständnisse und Kuriositäten in der deutsch-italienischen Übersetzung. So klang „Spaghetti con cozze“ (cozze=Muscheln) für so manch einen wie Nudeln mit Erbrochenem.
Erasmusstudenten versus Speisekartenitaliener
Daneben stellt der Italienischlehrer unter den Eingeschriebenen im Anfängerkurs im Laufe der Jahre immense Unterschiede fest: „Während diejenigen, die in Italien ein Auslandssemester verbringen möchten, meist hochmotiviert sind und viel Freude am Kurs haben, möchten andere oft nur die 5 ECTS-Punkte einsacken und machen daher nur das Nötigste“, erklärt Simone. Und da gibt es noch die Speisekartenitalienerinnen und -italiener. So werden in Fachkreisen diejenigen genannt, deren einzige Motivation einen Italienischkurs zu besuchen es ist, die Gerichte auf der Karte ihrer Lieblingspizzeria richtig übersetzen zu können. „Die sind dann ganz schnell überrascht, wie viel Aufwand und Fleiß so ein Sprachkurs tatsächlich beansprucht und brechen oft nach nur wenigen Wochen schon wieder ab“, erklärt Simone das immer wiederkehrende Phänomen.