Du bist männlich, zwischen 25 und 40 Jahre alt und hast Fußball in Würzburg oder Umgebung gespielt? Dann kennst du sie sicherlich – sagt sie zumindest selbst. Und alle anderen, die in den letzten dreißig Jahren im Würzburger Nachtleben unterwegs waren, wissen ziemlich sicher auch, wer sie ist: Nadine Hofmann, Barchefin im Zauberberg, Namensgeberin der früheren Bar „Naddls“ des alten Airports, lebende Legende des städtischen Nachtlebens.
Höchstwahrscheinlich ist sie Würzburgs dienstälteste Barkeeperin in einem Club, eine Pause hatte sie nur während ihrer Schwangerschaft und Corona einlegen müssen. Und sie ist sich sicher, dass die meisten Fußballer besagter Generation „schon mal bei mir gesoffen“ haben. Damals war der Rockpalast, der später zum Soundpark wurde, voll von Fußballern, in dem Nadine kurz nach ihrem 18. Geburtstag im Oktober 1993 als Barkeeperin angefangen hat. Heute ist Nadine 47 Jahre alt und steht im Zauberberg noch immer hinter dem Tresen und versorgt nachkommende Generationen mit Diskoschorlen aller Art.
Alte Nadine, neue Nadine: Kurze trinken, Babsi und Susanne, 20 Kilometer joggen
Ihre Stimme ist leicht heiser, die Haare raspelkurz rasiert. 20 Kilometer joggen liegen hinter ihr, so wie jeden Tag. Früher hat sie viel gefeiert, auch gern Kurze hinter der Bar mitgetrunken. Etwas anderes als Shots war es nie, Bier und Wein mag sie nicht. „Zu Beginn war das oft Tequila, als es die schwarzen Tequila-For-Free-Karten im Rockpalast gab, später Sambuca, irgendwann wurden es eher Liköre wie Baileys.“ Das mochte die alte Nadine, die sich erinnert, dass man 1993 noch „Jacky Hütchen“ oder „Asbach Hütchen“ getrunken hat, Longdrinks wurden keine serviert. Im Rockpalast wäre viel mehr eine Menge Kaffee über den Tresen gegangen. „Die Rocker haben schon mal 40 Kannen Kaffee am Abend an meiner Bar getrunken“, sagt Nadine.
Mit Babsi und Susanne, ihren Lieblingskolleginnen damals, hätte sie auf der Schlagerweihnacht zu späteren Soundpark-Zeiten einen bisher unerreichten Barrekord in ihrer Karriere aufgestellt. „Das war die absolute Hölle“, sagt sie. Irgendwann, als Milch 43, also Likör 43 mit Milch gemischt, modern wurde, schenkte sie schon mal 100 dieser Drinks in Bechern vor. „Das hat keine Kohlensäure, die könnte man vorbereiten und die Kids haben das damals in den 2000ern geliebt. Für uns wurden palettenweise Milch für eine Nacht angeliefert.“ Und zu der Zeit hatte sie mit dem damals noch sehr jungen DJ Marco Mora eine kleine Rivalität am Laufen: „Wir haben, wenn wir das Auto stehenlassen haben, dann am nächsten Tag geschaut, wann der jeweils andere sein Auto abgeholt hat. Wer länger stehengeblieben ist, hatte gewonnen.
Als Sven Väth den Airport-Boden kehrte: Wolfgang Weier über frühe Jahre im Air
Heute ist Milch 43 aus der Mode, Nadine lässt das Auto nicht mehr stehen und hat sich in so mancher Hinsicht gewandelt. Viel schlanker sei sie als jemals zuvor. Bei einer Größe von 1,62 Metern hatte sie nach einem Beinbruch während Corona 83 Kilogramm auf der Waage. Sie zog die Reißleine und fand den Sport, kämpfte sich trotz Verletzung und schlechter Prognosen zurück hinter die Bar. Die neue Nadine ist „fitter denn je, das würde mir auch jeder Arzt bestätigen.“ Den Halbmarathon läuft sie in einer Stunde und 44 Minuten. Alkohol trinkt sie kaum noch, maximal in Barnächten einen Wodka Waldmeister oder B52. Das Rauchen hat sie auch satt. Vor ihren Schichten am Donnerstag, Freitag und Samstag stecken ihr dann schon 20 Kilometer in den Knochen, die sie gelaufen ist.

Im Jahr 2003 noch etwas gewichtiger als heute: Nadine mit Airport-Mitarbeiter Hasan. Heute ist sie so schlank wie niemals zuvor. Foto: privat
Sie erinnert sich trotzdem gerne und ist sehr offen, wenn es um die Vergangenheit geht. „Da waren natürlich Techtelmechtel und auch Ärger im Club. Es sind so viele Dinge passiert. Ich bin aber immer mit allem im Reinen geblieben und ich bereue nichts von damals“, sagt die 47-Jährige stolz. Immer noch mache sie – die neue Nadine – alles mit und verkleide sich beispielsweise zu Bad-Taste-Partys oder zu Fasching. Und trotz eines Gewichtsverlusts von 25 Kilogramm wird sie noch von allen erkannt, auch von denjenigen, die sie vor zwanzig Jahren zuletzt hinter der Theke sahen.
Nadine Hofmann: Große Klappe, gutes Trinkgeld
Und sie kennt ihre Leute, wusste über viele Jahre das Getränk von teils hunderten Stammgäste auswendig. Das hat ihr auch teils so viel Trinkgeld an Abenden eingebracht, dass ihre frühere Chefin Nicole zum Spaß gesagt habe: „Sag mal, bringst du Geld mit?“ So erinnert sich die Würzburgerin an einen Abend: „Ich hatte mindestens zehn Kilo mehr auf der Waage als meine wunderhübsche Kollegin, die einem Model glich. Ich ging an dem Abend trotzdem mit dem dreifachen Trinkgeld raus, weil ich eine riesige Klappe habe.“
Nadine vermisst die Wegbegleiter, die nicht mehr im Nachtleben aktiv sind. Nicole ist so ein Beispiel, „die war mein Herzensmensch, das hat mich sehr getroffen, als die aufgehört hat.“ Wichtig ist ihr auch „Fritz Aumüller von der Kasse“, der nicht mehr lebt. Der kannte Nadine schon als kleines Mädchen und hatte der Mutter der Barkeeperin Fußballspielen gelehrt. „Der hatte mich schon als kleines Mädchen auf dem Schoß.“
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Seit dem Wechsel in den Zauberberg nie wieder im Airport gewesen
Tausende Aushilfen habe sie in den fast dreißig Jahren kommen und gehen sehen. Kein Wunder: „Bei so einer Schlagerweihnacht im Airport waren an einem Abend mehr Mitarbeiter beschäftigt, als wir generell überhaupt im Team des Zauberbergs haben“, sagt die 47-Jährige. Früher haben „wir Masse gemacht im Air, haben Stunden vorher angefangen vorzubereiten. Ich hätte das weitergemacht, wenn alles so geblieben wäre, wie es damals war“, sagt die Barchefin. Doch so blieb es nicht. „Wir wussten, dass sich was verändern wird und Rudi das Airport abgeben wird. Da bin ich aus einem Bauchgefühl gegangen, bevor der Wechsel war.“
Bereits im Mai 2014, bevor Rudi Schmitt das Airport übergab, wechselte Nadine Hofmann zu Andreas Eder in den Zauberberg. „Binnen Minuten habe ich das entschieden, zu gehen. Ich wollte nach 21 Jahren nicht wieder ganz neu starten unter neuer Geschäftsführung. Andi (Anm. d. Red: Andreas Eder) war schon früher Betriebsleiter im Airport und konnte dann mit Rudi den Zauberberg eröffnen. Und ich bin in den Zauberberg gewechselt.“ Seitdem Rudi Schmitt dann endgültig nicht mehr aktiv im Airport mitmischte, war auch Nadine nie wieder vor Ort. „Meine Bar, das Naddls, wurde damals sowieso abgerissen.“
Die Sauna-Naddl, die konsequent duzt
Ob sie es geahnt hat, mal dreißig Jahre hinter der Bar zu stehen? „Ich habe sicherlich mal gesagt, dass ich mit 30 oder mit 40 etwas anderes mache.“ Heute ist das nicht so, sie fühlt sich wohl, assistiert neben ihrem Job als Barchefin Andreas Eder auch in der Geschäftsleitung und bezeichnet sich als „Mädchen für alles“. Darüber hinaus arbeitet die „Naddl“ auch in Kitzingen in der Sauna, in die sie seit Jahren privat geht. Die 47-Jährige wirkt jünger als sie ist und zeigt sich „beleidigt, wenn mich jemand im Club siezt.“ Sie selbst würde ja auch alle – natürlich respektvoll – duzen, selbst die Kundinnen und Kunden in der Sauna. Deshalb macht sie einfach weiter – zumindest „solange die Leute noch nicht Oma zu mir sagen.“