„Dem Blauen Planeten geht es nicht gut, und das liegt daran, dass wir mit seinen Ressourcen aasen. Wir produzieren zu viel. Und konsumieren maßlos. Doch nicht nur die Umwelt wird ausgebeutet“, sagt Ben Hobeck: „Sondern auch Menschen.“ Was der 42-Jährige am eigenen Leib erfahren hat. Anlässlich des Weltumwelttags am 5. Juni wünscht sich Ben Hobeck ein Umdenken. Dass es sozial und ökologisch „anders“ gehen kann, zeigt ihm sein aktueller Arbeitgeber „Brauchbar“.
„Völlig aus der Bahn geschleudert“
Thomas Johannes, der Chef der gemeinnützigen GmbH, ist für Ben Hobeck ein Vorgesetzter, wie er ihn sich immer gewünscht hat. Vor vier Jahren hatte er ihm, der aufgrund schwieriger Lebensumstände „völlig aus der Bahn geschleudert“ war, eine neue Chance gegeben: Als Ein-Euro-Jobber fing der ehemalige Medizinstudent nach einer langen Phase ohne Job wieder an, zu arbeiten. Nach einem Jahr erhielt Hobeck einen festen, sozialversicherungspflichtigen Job. „Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, einer durch und durch sinnvollen Arbeit nachzugehen“, so der Arbeitsanleiter in der Lengfelder „Brauchbar“-Filiale „Pfundgrube“.
Zweite Chance für viele Dinge
Weniger Konsum wäre eine elementare Voraussetzung dafür, dass sich unsere Erde erholen könnte. Der Verzicht auf neue Ware fällt jedoch vielen Leuten schwer. Dabei bedürfte es nur eines kleinen „Gedankendrehs“, sagt Thomas Johannes: „Es geht doch letztlich ums Benutzen, nicht darum, alles immer selbst zu besitzen.“ Vieles, was man kauft, benutzt man nur wenige Male. Dann verstaubt es irgendwo. Wird vergessen. Oder, stolpert man wieder mal drüber, weggeworfen. Dabei könnte es ein anderer noch gut gebrauchen. „Brauchbar“ mit seinen fünf Filialen ist ein großer, regionaler Umschlagplatz für gut erhaltene Möbel, Kleidung, Geschirr, Elektroartikel und Bücher.
Manche Menschen bangt es mit Blick auf den Klimawandel vor der Zukunft. Auch Ben Hobeck macht sich so seine Gedanken. „Letztlich glaube ich aber an die Regenerationsfähigkeit“, sagt der junge Mann, der, was man ihm heute nie ansehen würde, so tief unten war, dass manch einer gezweifelt hatte, ob er sich je wieder regenerieren würde. Sein eigenes Schicksal hat ihn sensibel gemacht für ökologische und soziale Fragen. Hobeck achtet darauf, nichts wegzuwerfen, was noch brauchbar ist. Und er tritt dafür ein, dass kein Mensch als „unbrauchbar“ abgestempelt wird – auch und gerade nicht in der Arbeitswelt.
Brauchbares wird oft weggeworfen
Jeden Tag, erzählt der Anleiter in der „Pfundgrube“, kommt eine Menge von Waren in das Sozialkaufhaus. Darunter sind Sachen, die nicht den geringsten Kratzer aufweisen. „Hat das irgendwer jemals getragen?“, fragt sich Hobeck manchmal, zieht er ein fast unversehrtes Kleidungsstück aus einem Sack. „Im Durchschnitt werden in der ‚Pfundgrube’ täglich 500 Kilogramm Kleidung sortiert“, berichtet Johannes. Das meiste, steht zu vermuten, würde ohne „Brauchbar“ im Müll landen. Und verbrannt werden. „Thermische Verwertung“ heißt das auch. Dass Abfall recycelt wird oder daraus Wärme erzeugt wird, ist gut: „Noch besser allerdings wäre es, Brauchbares weiter zu benutzen.“
Eine Anpassung an veränderte Gegebenheiten ist nicht leicht. Das erfährt jeder, der mal eine Zeitlang aufs Feierabendbier verzichten möchte. Oder den Rauchausstieg plant. Auch mit der sozial-ökologischen Transformation tun wir uns als Gesellschaft ziemlich schwer. Manche Bürger verweigern von vornherein jedes Mittun, weil sie das Gefühl haben, dass ihnen „alles“ verboten werden soll. „Doch es geht gar nicht um Askese“, sagt Thomas Johannes. Sondern darum, dass jeder einzelne einen kleinen Beitrag leistet. Zum Beispiel dadurch, dass er gebrauchte Möbel spendet. Oder dass er, als Chef, einem Menschen eine Chance gibt, der gesellschaftlich gebraucht werden möchte.
Mehr Unterstützung für Sozialkaufhäuser
Ben Hobeck ist in den letzten vier Jahren eine ganze Menge geglückt, indem er sich auf Neues eingelassen und ein Umdenken gewagt hat. Dass er jemals Anleiter eines kleinen Teams werden könnte, hätte er niemals gedacht. Doch sein Weg geht noch weiter: „Ich beginne in Kürze eine Ausbildung zum Arbeitstherapeuten.“ Klappt alles, wird er nach einer ganzen Menge Jobs, die er als nicht gut und wenig sinnvoll erlebt hat, erstmals einen beruflichen Abschluss in der Tasche haben. Was anderen schwarz auf weiß beweist: Da ist jemand mit sehr „brauchbaren“ Kompetenzen!
Weil sich die Öko-Krise gefährlich zuspitzt und auch die sozialen Spannungen in der Gesellschaft steigen, plädiert Thomas Johannes grundsätzlich für eine stärkere gesellschaftliche und politische Unterstützung von Sozialkaufhäusern. Oft sind die irgendwo am Rande einer Stadt angesiedelt. Nicht ganz einfach ohne Auto zu erreichen. Und so gelegen, dass es keine Laufkundschaft gibt. Um zu signalisieren, dass gut erhaltene, gebrauchte Sachen genauso viel wert sind wie Neuware, wäre es wichtig mehr Sozialkaufhäuser mitten in den Citys zu platzieren. Auf diese Weise könnten auch noch mehr inklusive Jobs „mitten im Leben“ geschaffen werden.
Artikel beruht auf eine Pressemitteilung der BRAUCHBAR gGmbH.