Wer heute Städte für morgen entwickelt, muss sich einer Vielzahl von Fragen stellen. Urbanisierung und Ökologie müssen dabei kein Widerspruch sein. Wie das geht, zeigen die Pläne für das bismarckquartier, das in Würzburg auf dem Post-Areal entstehen soll.
Vom Dorf in die Stadt
Der Urbanisierungstrend ist ungebrochen. Die UN geht davon aus, dass bis 2050 75 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben wird. Und das ist schon lange kein ausschließliches Phänomen der großen Metropolen mehr. Immer mehr Menschen zieht es in die Stadt – auch nach Würzburg.
Bedürfnisse von Mensch & Umwelt
Das stellt Stadtentwickler heute vor neue Herausforderungen. Man wird in den Städten auf sensible und verträgliche Weise verdichten müssen, um Flächenfraß zu vermeiden. Das heißt: Die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt müssen berücksichtigt werden, Ökonomie und Ökologie, Wohnen, Arbeiten und Erholen miteinander in Einklang funktionieren.
Denn tatsächlich ist die Urbanisierung, so widersprüchlich das zunächst klingen mag, auch im Hinblick auf die Co²-Bilanz sinnvoll. Zahlreiche Studien belegen, dass Städter heute eine weitaus bessere Ökobilanz haben als die Landbevölkerung – unter anderem deshalb, weil auf dem Land die Infrastruktur fehlt und der Pendelverkehr durch seinen hohen Co²-Ausstoß die Umwelt erheblich belastet.
Kurze Wege, hohe Lebensqualität
Um von A nach B zu kommen, gilt es also, sich insgesamt ressourcenschonender fortzubewegen und so genannte Verkehrsinfarkte zu vermeiden. Hier sind auch Projektentwickler gefragt. Moderne Ansätze setzen deshalb auf E-Mobility, Sharing-Konzepte, einen stärkeren Fokus auf das Fahrrad und ein vielschichtiges Angebot vor Ort. Reine Schlaf- oder Arbeitsstätten sind heute ohnehin überflüssig. Zumal Berufliches und Privates zusehends verschwimmen. Selbst die Politik hat diesen Trend erkannt und im Mai 2017 mit der Schaffung einer neuen Baugebietsklassifizierung reagiert: In einem so genannten „urbanen Gebiet“ wird Wohnen mit Gewerbe sowie sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen kombiniert. Die Stadtquartiere der Zukunft verlangen nach sauberen und effizienten Mobilitätskonzepten, ökologischer Bauweise, der Integration von Freizeit- und Erholungsflächen sowie einer lebendigen Infrastruktur.
Denn Menschen wollen nicht nur dort leben, wo sie arbeiten. Sie wünschen sich eine hohe Lebensqualität. Sie möchten zu Fuß zur Arbeit gehen, um die Ecke noch schnell einen Kaffee trinken, Geschäftspartner zum Lunch ins Restaurant einladen, nebenan fürs Abendessen einkaufen sowie willkommene Auszeiten im Grünen genießen. Und das alles am besten an einem Ort, weitestgehend klimaneutral und digital vernetzt.
Erstmalig in Würzburg
Mit dem bismarckquartier wird genau so ein Ort geschaffen – mitten in Würzburg. Es ist das erste urbane Quartier der Stadt, das Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Hotel und Nahversorgung vereint. Gleichzeitig stellt es sich den großen Fragen von morgen in punkto Urbanisierung, Konnektivität, Mobilität und Ökologie. Hier entsteht ein Quartier der kurzen Wege mit einer Architektur, die Menschen zusammen bringt. Außerdem wird es nachhaltige Bau-, Angebots- und Nutzungskonzepte geben.
Grünes Würzburg
Die Natur hat in Würzburg seit jeher einen hohen Stellenwert. Eingebettet in Weinberge, den Ringpark, die grünen Flächen am Mainufer – das ist schon etwas Besonderes. Das Grüne ist typisch für Würzburg. Grün- und Naherholungsflächen entsprechen hier 18 Prozent der Stadtfläche. Das ist aber gerade in Würzburg aufgrund der Kessellage überaus wichtig, um die Co²-Bilanz positiv zu beeinflussen. Viele gute Ideen werden derzeit schon auf der Landesgartenschau Würzburg präsentiert. Bis zum 7. Oktober 2018 können diese noch bewundert werden. Das Förderprogramm „Urbanes Grün“ der Stadt Würzburg ist ebenfalls sehr zu begrüßen.
Großflächige Begrünung
Doch auch private Projektentwickler tragen eine hohe Verantwortung. Die beethovengruppe, die das bismarckquartier entwickelt, ist sich dieser bewusst. Bei der Planung des Quartiers wurden daher viele Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Dort, wo jetzt vielleicht zwei Bäume stehen, wird es eine großflächige Begrünung geben – mit Bäumen und Büschen auf den Freiflächen und bepflanzten Dächern.
Nachhaltigkeit mit Goldstatus
Der städtebaulichen Realisierungswettbewerb wurde von der beethovengruppe durchgeführt. Dabei war die Voraussetzung für alle Stadtplanungsbüros einen Landschaftsarchitekten mit ins Boot zu holen. Als Gewinner konnte sich baumschlager eberle architekten durchsetzen. Das Quartier soll weitestgehend autofrei werden. Es soll wenig Oberflächenverkehr geben. Parkplätze gibt es ausschließlich in der Tiefgarage. Das sorgt oberirdisch für gute Luft und eine hohe Aufenthaltsqualität. Auf eine gute Ökobilanz wird auch schon beim Bau geachtet. Beispielsweise wird in den Gebäuden zur Wärmedämmung kein Styropor verwendet. Insgesamt wird eine Zertifizierung in Gold der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) angestrebt. Die DGNB vergibt Gütesiegel für nachhaltiges Bauen in den Qualitätsstufen Bronze, Silber, Gold und Platin.
Nicht nur ein Trend
Die beethovengruppe beschäftigt sich mit Nachhaltigkeit nicht aus Trendbewusstsein. Der Würzburger Projektentwickler, der in der Region unter anderem auch einige Konversionsimmobilien entwickelt und revitalisiert, ist dank seiner langjährigen Erfahrung überzeugt, dass Konzepte für Wohnen und Arbeiten mittel- und langfristig ökologische Aspekte mit einbeziehen müssen, um überhaupt zukunftsfähig zu sein.
bismarckquartier
Das bismarckquartier im Stadtbezirk Altstadt, Stadtteil Äußere Pleich, ist aktuell die größte innerstädtische Quartiersentwicklung in Würzburg. Auf einer Fläche von circa 3,35 Hektar entsteht angrenzend an den Hauptbahnhof, gegenüber dem Ringpark und in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt ein neues mischgenutztes Stadtteilquartier.

Ausblick auf das zukünftige Stadtquartier. Foto: baumschlager eberle architekten
Autofrei für die Erholung
Die aktuelle Planung sieht vor, Wohnen, Büro, Hotel und Nahversorgung sowie eine Tiefgarage zu realisieren. Der Projektentwickler, die Würzburger beethovengruppe, plant zudem, das Quartier autofrei umzusetzen und viele Grün- und Erholungsflächen zu schaffen. Der Start der Bauphase des bismarckquartiers ist für 2020 geplant.
beethovengruppe
Die Projektentwicklungsgesellschaft beethovengruppe mit Sitz in Würzburg hat sich auf die Entwicklung von städtischen Konversionsflächen und die Revitalisierung von großen Denkmalimmobilien spezialisiert. Das interdisziplinäre Team um die beiden Geschäftsführer Dr. Alexander Weigand und Niko Rotschedl hat sich zum Ziel gesetzt, Lebens- und Arbeitsräume von hoher Qualität zu schaffen. So konnten in den letzten Jahren über 100.000 Quadratmeter Wohn- und Gewerbeflächen realisiert werden, unter anderem das Alte E-Werk in Würzburg, die Konversionsfläche Lehrhöfer Park in Hanau sowie das laufende Projekt ehemaliger Magazinhof in Kassel. Das jüngste Projekt der Gruppe ist das bismarckquartier – die größte innerstädtische Quartiersentwicklung Würzburgs, das anstelle der Posthalle entstehen soll.