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links: Dem heiligen Aquilin wurde in der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul ein eigener Altar gewidmet. rechts: Rechts vor dem Haupteingang der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul steht die 1728 geschaffene Figur des heiligen Aquilin. – Fotos: Bernadette Weimer (POW)
links: Dem heiligen Aquilin wurde in der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul ein eigener Altar gewidmet. rechts: Rechts vor dem Haupteingang der Pfarrkirche Sankt Peter und Paul steht die 1728 geschaffene Figur des heiligen Aquilin. – Fotos: Bernadette Weimer (POW)

Das Leben des heiligen Aquilin und seine Bedeutung für Würzburg

Ein Artikel von Dompfarrer Dr. Jürgen Vorndran

Würzburgs einziger Heiliger

Die historisch-kritische Forschung nimmt folgende Lebensdaten an: Geboren um das Jahr 970 in Würzburg aus einem vornehmen Würzburger Geschlecht in der Südstadt „im Sande“: „Aquilinus Herbipolensis claro genere natus“ (Breviarium Ambrosianum 1582).

Ausbildung in Köln, Aufnahme ins Domkapitel, Wahl zum Dompropst. Identifikation mit dem in Köln belegten Dompropst Wezelinus, der im Jahr 999 die Wahl zum Nachfolger von Erzbischof Everger ausschlug und nach Mailand ins Kanonikerstift San Lorenzo Maggiore wechselte.

Aquilin steht im Ruf großer Bescheidenheit und intellektueller Schärfe als Theologe und Prediger. Er wird an einem 29. Januar Opfer eines brutalen Überfalls auf dem Weg zur Basilika des heiligen Ambrosius in Mailand. Die Hauptstadt der Lombardei war in den Jahren vor 1018 Schauplatz heftiger politischer und religiöser Auseinandersetzungen. Die Mailänder Legende berichtet, dass der Märtyrer im dichten Nebel den ganzen Tag in seinem Blut lag. Erst am Abend wurde er von Kofferträgern, die von der Arbeit nach Hause gingen, aufgefunden.

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Begraben wurde Aquilin in San Lorenzo Maggiore. Bald nach seinem Tod ebbten die Unruhen in Mailand ab. Die Sekte der Neumanichäer, die für seinen Tod verantwortlich gemacht werden, ist nur bis 1018 belegt. Deswegen Datierung des Martyriums „ante 1018 – vor 1018“ (Alfred Wendehorst, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 1958). Die Verehrung des Märtyrers erhielt großen Aufschwung, als viele Pestkranke auf seine Fürbitte hin geheilt wurden. Davon zeugen Votivbilder in der Mailänder Kirche. Dort ist der auch nach Jahrhunderten fast unverweste Körper des Heiligen in einem Reliquienschrein aus Silber und Bergkristall beigesetzt.

Fehldatierungen in der Barockzeit

Anlässlich der Übertragung von Reliquien aus Mailand predigte Weihbischof Mayer am Namenstag des Heiligen Aquilin, dem 29. Januar 1706, über das Leben, Wirken und Sterben des Würzburger Heiligen. Die Predigt erscheint im gleichen Jahr in einem zwanzig Seiten starken Druck. Mayer nennt die Jahre 584 und 784 als mögliche Geburtsdaten und kommt zu dem Schluss, dass „unser H. Aquilinus ganz glaubwürdig im Jahr 584 in Würtzburg von christlichen Eltern gebohren“.

Bald darauf wird das Geburtshaus des Heiligen ausfindig gemacht: Der Neumünsterer Kanoniker J. Fr. Papius übergibt eine kleine Reliquie dem Besitzer des Hauses in der Hörleinsgasse 7. Dieser lässt über der Haustür eine Statue des Heiligen anbringen und behauptet, dass er im Jahr 786 als Märtyrer in Mailand gestorben sei. Schließlich widerspricht der Bibliothekar des Benediktinerklosters St. Stephan, P. Ignaz Gropp, all denjenigen, die den heiligen Aquilin in diese frühen Jahrhunderte zurückversetzen.

Im Jahr 1855 veröffentlicht Heinrich Denzinger, Dogmatikprofessor an der Universität Würzburg, seine „Kritische Untersuchung über das Leben des hl. Martyrers Aquilinus“ in der katholischen Wochenzeitschrift. Er legt seiner Untersuchung die Brevierlektion zugrunde, die älteste erzählende Quelle über das Leben des heiligen Aquilin, erschienen im Breviarum Ambrosianum von 1582. Sie weist den Heiligen als Dompropst in Köln aus. Dort ist um die Jahrtausendwende ein Dompropst Ezelin bzw. Wezelin belegt. Es wird angenommen, dass es in Mailand zur Umformung von Wezelinus zu Aquilinus gekommen ist.

Aus heutiger Sicht bleibt festzuhalten: „Wir kennen das Todesjahr Aquilins nicht. Konsensfähig scheint die Schlussfolgerung aus der bisherigen Forschung, dass es in den Jahren vor 1018 lag.“ Prof. Dr. Johannes Merz, ehemals Leiter von Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg, derzeit Kanzler des Bischöflichen Ordinariates Würzburg,

Geschichte der Verehrung in Würzburg

„Kein Prophet gilt etwas in seiner Heimat“ (vgl. Mk 6,4). Bis 1643, als der zweite Band des Monats Januar der Acta Sanctorum erscheint, ist Aquilin in Würzburg unbekannt. Erst in der Barockzeit wird Würzburg auf seinen einzigen in der Stadt geborenen Heiligen aufmerksam. Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn erklärt 1665 den 29. Januar auch im Bistum Würzburg zu seinem Gedenktag und müht sich um Reliquien, die jedoch erst 1705 unter Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau-Vollraths in die Geburtsstadt des Heiligen gelangen.

1715 schafft für die Würzburger Bürgersodalität Johann Zeckel, Augsburg, eine metallgetriebene Dreiviertelfigur auf einem massiven Eichenholzsockel, die mit einer Reliquiepartikel versehen wird. Nach Auflösung des Jesuitenordens 1773 kam die ursprünglich für St. Michael geschaffene Büste in die Marienkapelle als neuem Sitz der Bürgersodalität. Am 16. März 1945 befand sich die Büste im Turmkeller der Marienkapelle, wo der Eichenholzsockel verbrannte, die Plastik jedoch wahrscheinlich wegen des hohen Kupfergehalts nur anglühte und von Domkaplan Fritz Bauer und Dr. Rudolf Kuhn geborgen werden konnte. 1973 restauriert und mit einem neuen Sockel versehen, erhielt die Statue wieder die Partikel einer Reliquie, die von Pfarrer Guido Grünsfelder aus Sternberg im Grabfeld überlassen wurde.

Gedächtnisstätte für Opfer der Gewalt

Am 13. Mai 1973 wurde die restaurierte Büste des heiligen Aquilin in der Marienkapelle von Dompfarrer Heribert Brander und dem Rektor der Marienkapelle, Msgr. Dr. Dr. August Burk, eingeweiht und vor der Büste des heiligen Aquilin eine Gedächtnisstätte für Opfer der Gewalt in Würzburg geschaffen, die zum Gebet und Gedenken an die Opfer von 1945, aber auch von 1631 (Schwedenkrieg), 1400 (Kämpfe um die Reichsfreiheit) und 1349 (Progrom gegen die jüdische Bevölkerung) auffordert.

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So ist die Verehrung des heiligen Aquilin gerade heute verbunden mit dem Gedenken an Menschen, die in unserer Welt durch Krieg und Terror unschuldig Opfer von brutaler Gewalt werden. Zu den genannten Daten müssen wir heute den 18. Juli 2016 hinzufügen, als unschuldige Menschen im Regionalzug und auf der Straße in Heidingsfeld brutal von einem Axtattentäter angegriffen wurden.

Weitere Darstellungen des heiligen Aquilin

Seitdem die Stadt Würzburg den Peterplatz im Jahr 2014 neu gestaltet hat, strahlt auch die Jakob von der Auwera oder Claude Curé zugeschriebene Statue des heiligen Aquilin rechts vor dem Haupteingang von St. Peter und Paul in neuem Glanz. Die 1728 geschaffene Figur hatte ihren ursprünglichen Platz auf der Spitalbrücke, die den Stadtgraben nahe der heutigen Kreuzung Theaterstraße – Semmelstraße überbrückte. Sie zeigt den heiligen in Chorkleidung mit Birett in der Hand. Der Dolch im Hals weist auf sein Martyriums hin. Ursprünglich war die Figur für die alte Mainbrücke geschaffen worden. Doch Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn ließ dort seine beiden Namenspatrone aufstellen, den bekannten heiligen Karl Borromäus, Bischof von Mailand, und den weniger bekannten heiligen Bischof Friedrich, dem die Aquilinsstatue weichen musste.

Weitere Darstellungen des heiligen Aquilin gibt es im Hochchor des Würzburger Domes, im Heiligenhimmel der Neumünsterkuppel, des Käppele und in Ipthausen sowie vielen weiteren Kirchen des Bistums Würzburg. Sein besonderer Verehrungsort heute ist die Pfarrkirche St. Peter und Paul.

Die Wallfahrt nach Mailand 1987

1987 führte unter Pfarrer Karl-Heinz Albert eine Wallfahrt von Würzburg nach Mailand mit dem Ziel, wieder eine Reliquie für Würzburg zu erbitten. Aus einem Knochen des Heiligen, der zuvor für eine Identitätsprobe aus dem Sarkophag entnommen worden war, trennte man ein kleines Stückchen und bettete es in eine Monstranz. Sie wurde bis zur Renovierung 2015/6 unter der Figur des Heiligen Aquilin am nördlichen Seitenaltar der Kirche St. Peter und Paul in einem von Michael Amberg geschaffenen Reliquiar aufbewahrt.

1000 Jahre Aquilin: eine neue, bedeutende Reliquie für Würzburg

30 Jahre nach der Fahrt nach Mailand tritt Aquilin nun zur 1000-Jahr-Feier neu in den Blickpunkt. Vom 27. bis 29. Januar 2017 wird eine 15-köpfige Delegation aus der Erzdiözese Mailand unter der Leitung von Bischofsvikar Carlo Faccendini Würzburg besuchen und der Heimatstadt des Heiligen eine neue, bedeutende Reliquie übergeben: Nicht mehr eine kleine Partikel, wie sie im Sockel der Aquilinsbüste und in der Monstranz in St. Peter und Paul aufbewahrt werden, sondern – wie einst 1705 – eine Rippe des Heiligen. Dazu wurde der Kristallsarkophag in der Aquilinskapelle in Mailand geöffnet. Sie wird in Würzburg in einem Reliquiar beigesetzt, das Dr. Jürgen Lenssen entworfen hat und die Goldschmiede Engert in Würzburg derzeit anfertigt. Es ist ein Geschenk des Bistums Würzburg an die Pfarrei St. Peter und Paul, auf dessen Aquilinsaltar im rechten Seitenschiff der 2015/16 renovierten Kirche finden.

Zur Reliquienverehrung in der katholischen Kirche

Aquilin gilt als Opfer der Sekte der Neumänichaer, die gnostisches Gedankengut verbreiteten und als leibfeindlich galten. Die Reliquienverehrung in der katholischen Kirche betont ganz im Gegensatz zur Lehre der Gnosis und der Neumanichäer die Leiblichkeit des Menschen. Bei der Beerdigung eines Katholiken spricht der Zelebrant über dem Sarg, während er ihn mit Weihrauch inzensiert: „Dein Leib war Tempel des Heiligen Geistes. Der Herr nehme dich auf in das himmlische Jerusalem.“ (Die Kirchliche Begräbnisfeier).

So ehrt die Kirche den Körper jedes Getauften auch über den Tod hinaus. In der Verehrung der Reliquien von Heiligen besteht ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur der Kirche, vergleichbar dem Gedenken an jeden Getauften an seinem Grab. Rein menschlich gesehen steht das Grab für die Präsenz eines Mensch über seinen Tod hinaus. Das Grab ist der dichteste Erinnerungsort an einen Menschen. Folglich wird der Bitte um die Fürsprache eines Heiligen an seinem Grab oder am Ort der Verehrung seiner Reliquien besondere Kraft zugesprochen. Dennoch nennt das Konzil von Trient die Verehrung der Heiligen zwar „gut und nützlich“ („bonum et utile“), nicht aber zwingend notwendig für die Spiritualität eines Katholiken.

Starkes Zeichen für das Leben und den Glauben

Mit der erneuten Übergabe der bedeutenden Reliquie einer Rippe des Heiligen ehrt die Erzdiözese Mailand die Geburtsstadt Würzburg 1000 Jahre nach seinem Martyrium. Die Reliquienverehrung hat in Italien einen hohen Stellenwert. Biblisch gesehen steht die Rippe symbolisch für die Erschaffung des menschlichen Lebens (vgl. Gen 2,21). Wenn Mailand die im Krieg zerstörte Reliquie von 1705 nun durch eine neue ersetzt, gibt das italienische Erzbistum damit ein starkes Zeichen für das Leben und den Glauben eines Mannes, der Opfer eines Gewaltverbrechens wurde und dessen Reliquie in Würzburg durch den Feuersturm des 16. März 1945 zerstört wurde – und nun wieder neu seinen Platz findet: Das Leben und der Glaube sind stärker als alle Gewalt und jeder Krieg!

Am 29. Januar 2017 wird Bischofsvikar Carlo Faccendini aus Mailand die Reliquie im Pontifikalamt um 10.00 Uhr im Kiliansdom an Bischof Dr. Friedhelm Hofmann übergeben. Im Anschluss an das Pontifikalamt wird der Reliquienschrein in Prozession nach St. Peter und Paul übertragen.

Zur Vorbereitung auf das Aquilins-Gedenken „1000 Jahre Martyrium“ finden zwei Vorträge statt:

  • Dienstag, 17. Januar 2017, 19.30 Uhr – Pfarrsaal von St. Peter und Paul
„Heilige Reste“ – über die Reliquienverehrung damals und heute
Dompfarrer Dr. Jürgen Vorndran
  • Dienstag, 24. Januar 2017, 19.00 Uhr – Burkardushaus (Eintritt 6 Euro)
„Der heilige Aquilin im Konzert der Würzburger Diözesanheiligen“
Prof. Dr. Wolfgang Weiß, Lehrstuhl für fränkische Kirchengeschichte

„Glauben verbindet“ – wer kommt?

An der 1000-Jahr-Feier des Martyriums einzigen Heiligen, der in Würzburg geboren wurde, nehmen neben der Italienischen Katholischen Mission im Bistum Würzburg auch die Pfarreien des Stadtdekanates Würzburg teil sowie der Dekanatsrat der Katholiken, Vertreter der Ökumene, Vertreter der Päpstlichen Ritterorden sowie von weiteren Verbänden, Innungen und Gruppen.

„Glauben verbindet“ – die Ökumene der Märtyrer

Besonders willkommen sind die Vertreter der Ökumene, setzt doch die Feier des Martyriums des heiligen Aquilin vor 1000 Jahren auch einen besonderen Akzent in unserer Zeit, in der das Christentum die am meisten verfolgte Religion in der Welt von heute ist. Auch heute werden Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt und wie er brutal getötet – und zwar aus allen Konfessionen. Die Ökumene der Märtyrer ruft nach dem Einsatz aller für die Einheit der Christen, gerade im Reformationsjahr 2017.

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