Ein Gastbeitrag von Melanie Leichtl über ein halbes Jahr in Schweden.
Warum Schweden?
Die Wahl meines Erasmus-Auslandssemester fiel vor allem deswegen auf Schweden, da mich die nordeuropäischen Länder mit ihrer Kultur und Landschaft schon immer sehr interessiert haben. Zuvor war es mir leider noch nicht möglich gewesen, diese Gegend einmal selbst zu bereisen. Darüber hinaus hat mich das Leben mit dem starken Gegensatz von Winter- und Sommerzeit interessiert, denn bekanntermaßen ist das ja sehr unterschiedlich. Im Winter gibt es kaum Tageslicht, während es im Sommer kaum Nacht wird. Auch sind die Verbindungen zwischen der Universität Würzburg und der Universität Umeå für Austauschstudenten optimal. Grund genug für mich also, mein Auslandssemester dort zu absolvieren.
Eine andere Studiumsart
Die Universität Umeå ist ein sehr guter Platz zum Studieren. Im Vergleich mit dem deutschen lässt sich das schwedische Studiensystem aber als stärker verschult beschreiben. Es gibt mehr Gruppen- oder Hausarbeiten, was dem Studium auch durch die überschaubare Größe der Uni einen eher vorstädtischen Schulcharakter verleiht. Auch kann man in Schweden ein ganzes Fach innerhalb einer Blockeinheit von rund vier bis fünf Wochen absolvieren.
Das klingt überaus knapp und das ist es auch. Da es aber innerhalb dieser Zeitspanne nur dieses eine Fach gibt, das man sich aneignen muss, kann man sich gut darauf konzentrieren. Etwas anderes bleibt einem aber auch gar nicht übrig, denn jede bzw. mindestens jede zweite Woche müssen größere Arbeiten abgegeben werden.
Vor- und Nachteile
Daraus ergibt sich ein intensives Zusammenarbeiten mit den Kommilitonen in der Uni oder auch eine Vielzahl an Recherche zuhause. In den Kursphasen habe ich es persönlich nicht so gut geschafft, nach einem Unitag abzuschalten und zur Ruhe zu kommen. Jedoch halte ich den Stoffumfang und das, was ich im Endeffekt gelernt habe, für weniger schwierig als in Deutschland. Deswegen kann ich bis jetzt noch nicht sagen, welches System mir besser gefällt. Beide Studiumsarten haben ihre Vor- und Nachteile. Was bemerkenswert für die eher kleine Universität Umeå ist, dass es sehr viele Austauschstudenten gibt. Diese werden auch durch verschiedenste Veranstaltungen und Programme dazu angeleitet, sich in kurzer Zeit zu integrieren und neue Leute kennenzulernen.
Ein „fröhliches“ Semester
Eine Überraschung für mich waren die Lichtverhältnisse und die Temperaturen. Zu den Lichtverhältnissen muss man sagen, dass ich das „fröhlichere“ Semester in Schweden erwischt hatte, in dem es im Laufe der Zeit immer heller wird. Bei meiner Ankunft im Januar war es nur von ca. 10.30 bis 13.30 Uhr „richtig“ hell, während der restlichen Tageszeiten überwiegten Dämmerung und Dunkelheit.
Aber sobald ich mich an diesen komischen Tagesrhythmus, bei dem es vermehrt Nacht ist, angepasst hatte, war es auch schon Mitte Februar und die Tages- und Nachtzeiten haben sich wieder einigermaßen normalisiert. Viele Kommilitonen berichteten mir, dass es schwieriger ist, wenn kein Schnee liegt. Ohne Schnee kann kein Licht reflektiert werden und damit ist es im Winter die meiste Zeit einfach stockdunkel.
Zum Ende hin war natürlich das Gegenteil der Fall: ständig Tag! Auch in den 3 Stunden „Nacht“ hatte man das Gefühl, da hat jemand nur den Dimmer angemacht und den Lichtschalter nicht ganz aus. Die Tage waren so lang, dass man eigentlich 24 Stunden was unternehmen konnte.
Richtig kalt
Nun zu den Temperaturen. Ja es kann kalt werden. Richtig kalt, so -25 Grad war mein Rekord. Da aber meiner Meinung nach die Luftfeuchtigkeit in Umeå sehr niedrig ist fühlt sich alles nicht so kalt an. Und erstaunlicher Weise gewohnt man sich sehr schnell an das niedrigere Temperaturlevel und dann sind plötzlich 5 Grad Frühlingswetter und 15 Grad sehr warm und man möchte baden gehen. Meine Grenze war so bei -20 oder -10/-15 Grad mit stärkerem Wind, da wurde es dann auch für mich zu eisig.
In der mittleren Phase meines Schweden-Aufenthalts hatte ich keinen Kurs an der Universität und ich nutzte meine Freizeit, um herumzureisen und mir Länder und Leute anzusehen. Man kann Stockholm getrost als den Nabel der nördlichen Länder bezeichnen, von dort aus kommt man an eine Vielzahl toller Orte. Insgesamt habe ich inklusive Schweden sieben Länder bereist und ganz viel Neues entdeckt.
Stille inmitten der Stadt
Was ich vermisse, sind die Geduld und die Gelassenheit, die Umeå ausmachen. Ich habe nicht einmal erlebt, dass sich jemand aufgeregt hätte, weil etwas zu langsam voranging oder dass die Menschen von Hektik und Schnelligkeit getrieben gewesen wären. Überhaupt ist das Land von Ruhe geprägt, denn sogar mitten in der Stadt kann man außerordentliche Stille finden. Umeå ist ungefähr so groß wie Würzburg, aber sobald man sich innerhalb eines Parkes oder am Stadtrand befindet, umgibt einen eine Geräuschlosigkeit, die ich bei uns nur aus dem tiefsten Wald kenne.
Nett und hilfsbereit
Auch richtig schade finde ich, dass ich mich nun wieder in unseren hierarchisch-geprägten Unterhaltungen wiederfinde. In Schweden ist das viel einfacher: Man nennt sich einfach gegenseitig beim Vornamen und kann dann unbefangen losquasseln – jenseits aller Berufe und Altersstufen. Trotzdem sind die Schweden, wie ich im Vornherein auch schon gehört hatte, eher zurückhaltend und ruhig. Das kann ich in Bezug auf Fremde und Unbekannte bestätigen.
Man muss ihnen als Außenstehender öfters mal einen „kleinen Schubs“ geben, um mit ihnen in Kontakt zu kommen. Im Unialltag fällt das aber nicht so sehr auf. Wenn man sie um Hilfe fragt, dann sind es sehr nette, hilfsbereite und aufgeschlossene Menschen. Auch wenn man das schwedische Volk einmal besser kennenlernt, dann merkt man schnell, dass sie sich unter Freunden genauso „laut“ verhalten wie „wir“.
Ich will shoppen – immer
Es mag sich jetzt vielleicht etwas lächerlich anhören, aber für mich war es die größte Umstellung nach Deutschland bzw. Bayern zu kommen und nicht am Sonntag einkaufen gehen zu können. Das war auch eines der ersten Dinge, die ich vergessen hatte, als ich in Schweden angekommen war. dass Sonntags einkaufen bisher nicht normal war.
Salz gehört ins Essen
Nun zum Abschluss noch was zum Schnee. Es macht richtig viel Spaß, darauf Auto zu fahren, die richtigen Reifen vorausgesetzt. Deutsche Streudienste sollten auch definitiv aufhören Salz zu streuen, es geht auch ohne. Vermutlich sind die Autofahrer in Schweden aber auch Schnee einfach besser gewöhnt.
Alles in allem hatte ich ein sehr erlebnisreiches halbes Jahr. Ich bereue es zu keiner Sekunde, das Semester in Schweden absolviert zu haben. Für mich hat sich aber herausgestellt, dass ich nicht der Mensch bin, der gerne für längere Zeit alleine ins Ausland geht. Falls es ein nächstes Mal geben sollte, dann würde ich einen meiner Liebsten oder Freunde an meiner Seite wissen wollen oder weniger als drei Monate verreisen. Ich habe für mich gelernt: „Home is where my heart is“.
Anmerkung der Redaktion
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