Ein Gastbeitrag der satirischen SMAUL-Redaktion
Ein heiteres Ratespiel
Heute ein heiteres Ratespiel für die hochgeschätzten Leser der SMAUL weltweit: Es geht um eine Bevölkerungsgruppe. Sie tragen (von oben nach unten)
- Over-Ear-Kopfhörer, sind aber keine HipHopper
- fette Hornbrillen, haben aber vielleicht gar keine Dioptrin (Fensterglas?)
- als Männer flusige, womöglich flauschige, oft spitz zulaufende Rauschebärte, als Frauen zuweilen an der Seite abrasierte Haartracht,
- Flanellhemden, Westen oder Holzfällershirts
- in der einen Hand ein Apple-Produkt
- in der anderen einen Jutebeutel aus organisch angesauter Traumwolle
- und blaue, unten einmal umgekrempelte Röhrenjeans.
Wie verhalten sie sich?
Alles, was diese Bevölkerungsgruppe im Alter von etwa 15 bis 35 Jahren tut, ist endgeil, sophisticated und unvorstellbar authentisch. Es ist so echt, dass man sich‘s als gleichgemachter, gehirngewaschener, mainstreamhöriger Otto Normalverbraucher einfach nicht vorstellen kann, dass es wehtut. Jeder Small Talk mit diesen, im Grunde freundlichen Menschen wird für den ungläubigen Würzburger und Weltbürger zum Spießrutenlauf.
Sie sind so anders, so anti, so unique. Sosehr, dass sie alle gleich sind und man sie augenblicklich erkennt. Vier als Zeichentrickfiguren verkleidete Damen weisen als Disney-Prinzessinnen in einer erschütternden Musicalnummer darauf hin. Da braust’s uns langweiligen Durchschnittsbürgern wie Donnerhall im Oberstüberl! (Das kann bei uns in der Redaktion auch von Drogen oder Schlägen des Chefredakteurs kommen, also prüft das bitte selbst.)
Wo sind sie?
Im Kreis tanzen diese Kreaturen um unsere Köpfe. Uns wird ganz mulmig, wir müssen uns mitten auf der Juliuspromenade oder der Domstraße plötzlich hinsetzen. Sie sind überall: Sie trinken Kombucha-Tee und Kaffee-Sorten, die so klingen wie englische Managerbezeichnungen. Sie haben jahrelang tapfer rohen Fisch gefressen, aber jetzt nicht mehr: Sushi ist jetzt überall. Sie gehen in Second-Hand-Shops. Ihr Look ist creative und fresh – und immer gleich. Ihre fetten Kopfhörer stöpseln sie jetzt auch an Schallplattenspieler, die sie durch die Stadt tragen und verliebt lächelnd die echten Vinylplatten darauf streicheln. Bis es ganz schlimm scratcht. Halt, das war erfunden.
Ermittelt selbst durch Conversation!
Unterhaltet Euch mit ihnen! Kramt den einzigen Independent-Film, den ihr kennt, aus dem hintersten Regal Eurer Zirbeldrüse. Und sie werden sagen: „Das Buch war aber besser als der Film“. Versucht sie zu beeindrucken mit einer neuen Band oder einem Designerlabel, das ihr kennt. Sie werden sagen: WIR haben das gehört, WIR haben das getragen, „bevor es berühmt war“. Mit mildem Lächeln packen sie ihre liebste Keule aus, und wenn Ihr die Worte hört: „Sag mal, kennst du eigentlich . . .“ holen sie sausend damit zum Schlag aus, gegen Euch, gegen Euer minderes Wissen. Während Ihr wegrennt, rufen sie Euch noch „Holzöfen-Wärme ist viel authentischer als der Muff von Zentralheizungen“ hinterher.
Professionelle Feldstudien lokaler Beispiele: Würzburg erleben
Des Rätsels Lösung sind die Hipster. Grundsätzlich ein abschätziger Begriff wie viele englische Wörter auf –ster (Mobster, Gangster). Hipster würden sich selbst nie so bezeichnen. Doch schleichend hat sich der Hipster in unsrer Gesellschaft verbreitet, auch in unserem Hirn. Sind wir doch mal ehrlich: Das beste Beispiel für schleichende Zersetzung in Richtung Hipster ist die Redaktion von Würzburg erleben! (Die lesen das hier gar nicht. Die haben nämlich immer nur Zeit für Anfang und Ende der Artikel. Deshalb können wir hier über die lästern und allgemein voll den Quatsch in die MITTE des Artikels schreiben! Das nur nebenbei).
Erschütternde Beispiele
Schaut Euch doch mal diesen Papay an! Jetzt hat er auch diese eckige Brille auf. Früher hat er sich wenigstens noch rasiert. Er war doch so ein lieber Bub. Die eine Praktikantin kommt auch schon nach ihm (wegen der Brille, nicht wegen dem Bart). Ich glaube, sie heißt Meliz. Mit Z! Sie hat sogar in der Innenstadt vor laufender Kamera Unschuldige befragt, die keine Brille brauchen, ob sie sich eine als Accessoire vorstellen können! Ist denn das die Möglichkeit?
Einer der aus der Reihe fällt ist Dr. Landois. Wie bei Christian J. (für Jodocus) Papay ist auch bei ihm der Name ganz offensichtlich eine plumpe Erfindung. Doch ihm nimmt man aufgrund seines milden Lächelns, seiner generös aufgeknöpften Hemden unter der blütenweißen Weste, die er in jeder Hinsicht nun mal besitzt, die Rolle als verarmter französischer Landadliger sofort ab.
Aber wenn Ihr, liebe SMAUL-Leser, alleine mal auf der Facebook-Seite von Würzburg erleben runterscrollt, seht Ihr, dass daraus ein wahrer Hipster-Höllenpfuhl geworden ist. Snapback-Caps mit „Wue“-Aufdruck. Cheesecake-Erfindungen als Beispiel für „coole Start-Ups“. Fragen wie „Und wo chillt Ihr diesen Sonntag?“. Die besten 5 Saft- und Smoothie-Locations in Würzburg. Studenten helfen Asylanten, in Wü eine Wohnung zu finden. Gebt es zu, Würzburg erleben: Ihr seid doch längst mittendrin, Ihr suhlt Euch wild in der Hipster-Soße!
Rückblick und Ausblick
Seit Jahrzehnten lebt zumindest die Jugend der Ober- und Mittelschicht von Nordamerika bis Europa ohne echte Notsituation vor sich hin. Sie müssen nicht in den Krieg, es gibt keine Hungersnot und die Demokratie garantiert Gedanken- und Entfaltungsfreiheit. Dann macht man sich seine Probleme eben selbst: die „First World Problems“ von Fashion über Ficken bis Food.
In einer anonymisierten und bürokratischen Gesellschaft wollen die Hipster etwas Besonderes darstellen, ihre Individualität ausdrücken, nicht dem Mainstream folgen, sondern Trends setzen. Von den Hippies der 1960er, deren friedliche Revolution gegen konservative politische und soziale Normen ernsthaft begann, um dann ziellos Richtung Hedonismus und Drogenkonsum zu wabern, sind die Hipster hingegen weit entfernt.
Der Mix aus krampfhaft gelebter Political Correctness, veganem und biologisch angebauten Essen und anderen First World Problems führt aber nicht zur Individualität, sondern höchstens zur Vorhautverengung. Lass es die geistige sein, Eberhard. Die Abgrenzung vom Mainstream bleibt äußerlich und oberflächlich. Deswegen kann die HipHop-Band K.I.Z. in ihrem gleichnamigen Lied sogar Adolf Hitler mit „Seiten-Scheitel-Swag“ als Hipster auftreten lassen. Das Äußere der Hipster wird verschwinden. Der Drang, die eigene Individualität entgegen der Norm zu entfalten hingegen, wird immer bleiben – und das ist auch gut so.
SMAUL – Satire für Würzburg
Die SMAUL hatte zwei ständige und mehrere sporadische Mitarbeiter. Wer Interesse bekommen hat, kann etwas posten. Bei ernsthaftem, längerfristigem Interesse können wir ins Gespräch kommen.
Alle Artikel der SMAUL findet Ihr hier.
Anmerkung der Redaktion
Gastbeiträge geben nicht automatisch die Meinung der Redaktion wieder. Sie sollen zur Debatte anregen oder sogar anstacheln – so wie auch jeder gute Kommentar auf Facebook. Wir geben deshalb allen unseren Lesern die Chance, ihre Meinung bei uns zu veröffentlichen und diese diskutieren zu lassen – auch in satirischer Form. Wir freuen uns über Gastbeiträge zu allen Themen an: redaktion@wuerzburgerleben.de.