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Würzburg - Foto: Pascal Höfig
Symbolbild Würzburg

Forschungsrakete mit unbefriedigendem Ergebnis zurück

„No Horizon“: Zentrales Teil besteht Test nicht

Fast zwei Jahre harte Arbeit und dann das: Eine Kamera, die reihenweise weiße Bilder liefert, total überbelichtet, ohne jegliche Details. Dabei ist die Kamera Kernstück eines neuartigen Sensors, der es Satelliten ermöglichen soll, ihre Lage zu stabilisieren, wenn sie ins Trudeln geraten sind.

Mit ihren Aufnahmen kann der Sensor den Erdhorizont bestimmen und daraus seine Orientierung im Weltraum berechnen. Dem Satelliten liefert er damit die Informationen, die notwendig sind für die Rückkehr in eine stabile Lage – quasi den Fixpunkt im Raum, an dem er sich festhalten kann.

Zumindest sollte er das tun. Rein weiße Bilder, auf denen kein Horizont erkennbar ist, helfen dem Sensor dabei natürlich nicht weiter. Und so blinken auf dem Bildschirm im Kontrollzentrum des Esrange Space Centers im nordschwedischen Kiruna zum Entsetzen einer Gruppe Würzburger Studenten fette rote Buchstaben: „No Horizon“. Und zeigen damit an, dass ein zentrales Teil des von ihnen entwickelten Experiments den Test unter realen Bedingungen nicht bestanden hat.

Erste Weltraumreise bereits angetreten 

HORACE: So heißt die studentische Entwicklung – eine Abkürzung für Horizon Acquisition Experiment. 18 Monate lang hat das Team – sechs Studenten der Luft- und Raumfahrtinformatik – diesen neuartigen Sensor gebaut und programmiert, betreut von ihrem Professor Hakan Kayal. Mit dem Sensor sollte zunächst das grundlegende Konzept der Horizonterkennung mit den dafür notwendigen Algorithmen unter realen Verhältnissen erprobt und die Leistung bewertet werden. Am 28. Mai 2014 trat HORACE, zusammen mit einer Reihe weiterer studentischer Projekte auf eine Rakete montiert, seine erste Reise in den Weltraum an.

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„Das war schon eine ziemlich große Enttäuschung, vor allem nachdem bis zum Raketenstart alles so gut geklappt hatte und die Euphorie beim Lift-Off groß war“, beschreibt Thomas Rapp, Projektleiter des studentischen Teams, seine Gefühle in dem Moment, als sich der Fehler bemerkbar machte. „Wir haben schließlich nicht anderthalb Jahre an einer Maschine gearbeitet, die dann nur 12.000 weiße Bilder erzeugt“, ergänzt Sven Geiger.

10-Minuten-Flug in den Weltraum

Zwei Wochen waren die Studenten im Mai im Esrange Space Center zugange. Dort waren sie mit dabei, als ihr Sensor auf eine sogenannte REXUS-Rakete montiert wurde. Die Rakete ist Teil eines Programms, für das das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, das Swedish National Space Board SNSB und die Europäische Weltraumorganisation ESA verantwortlich sind.

Das Prinzip dahinter: Studierende entwickeln wissenschaftliche und technische Experimente, um diese unter Weltraumbedingungen zu testen. Können sie sich mit ihrer Idee und mit ihren Entwicklungen gegen andere Bewerber durchsetzen, steht am Ende der Flug auf der REXUS-Rakete. Der ist zwar relativ kurz: Nach nur zehn Minuten endet die Reise in den Weltraum. Dabei wird allerdings eine Höhe von mehr als 80 Kilometern erreicht und die Bedingungen sind so, dass sie als realistischer Test unter Weltraumbedingungen durchgehen.

Murphy’s Law schlägt zu

„Alles was schiefgehen kann, geht auch irgendwann schief“: Im Fall der Würzburger Studenten hat Murphys Gesetz erneut seine Richtigkeit bewiesen. Immer wieder hatte HORACE diverse Tests durchlaufen, war auf einer Rüttelplatte durchgeschüttelt worden, musste im Vakuum und der Kältekammer beweisen, dass ihn solche Umstände nicht ausschalten, hatte einen simulierten Countdown erfolgreich hinter sich gebracht – um dann doch kurz vor dem Lift-Off ein unerwartetes Problem zu verursachen.

Störungen am GPS-Signal

„Nach der Montage in die Rakete hatte sich gezeigt, dass unser Experiment den GPS-Empfang der Rakete stört“, erzählt Thomas Rapp. Eine Möglichkeit, mit der auch die Experten der beteiligten Raumfahrtorganisationen nicht gerechnet hatten. Die Suche nach dem Fehler könnte der Auslöser für die fatale Fehlfunktion der Kamera gewesen sein.

„Weil zunächst nicht klar war, welches Experiment und welches Bauteil auf der Rakete für die Störung verantwortlich war, wurde das System innerhalb kurzer Zeit mehrmals hintereinander ein- und wieder ausgeschaltet. Und man weiß ja vom eigenen Computer, dass er so etwas nicht so gerne hat“, sagt Sven Geiger. Gut möglich, dass auf diese Weise die Belichtungssteuerung der Kamera lahmgelegt wurde.

Verschärfte Bedingungen 

Als Fehlschlag wollen die angehenden Luft- und Raumfahrtinformatiker ihren Ausflug in den Weltraum allerdings nicht werten. „Immerhin haben alle Systeme mit Ausnahme der Kamera so gearbeitet, wie sie sollen. Die Daten wurden gespeichert, die Kommunikation mit der Bodenstation hat fehlerfrei funktioniert“, sagt Thomas Rapp. Dass bei der Entwicklung neuer Systeme und Komponenten Fehler passieren; dass im Laufe dieses Prozesses neue Aspekte auftauchen, an die bisher noch nicht gedacht wurde, die aber zwingend eine Antwort erfordern: Das ist vermutlich ganz normal. In der Raumfahrt herrschen allerdings verschärfte Bedingungen: „Hier muss sich das System ein einziges Mal unter realen Bedingungen bewähren: nach dem Start in den Weltraum“, sagt Thomas Rapp. Und Nachbesserungen sind dann so gut wie unmöglich.

Bewerbung für die nächste Kampagne am Laufen

Bedeutet das Ende der diesjährigen REXUS-Kampagne das Aus für HORACE? Nicht unbedingt. Derzeit läuft die Bewerbung für den nächsten Flug in den Weltraum. Noch bis Oktober können sich Studierende mit ihren Projekten und Ideen an der Ausschreibung beteiligen. Und vielleicht findet sich ja in Würzburg ein Team, das den Sensor verbessern und weiterentwickeln möchte. Dabei geht es nicht nur darum, die Kamera gegen potenzielle Störungen unempfindlich zu machen. Damit der Sensor tatsächlich eines Tages in Satelliten zum Einsatz kommen kann, ist noch viel zu tun: Kleiner muss er werden und schneller, weniger Strom verbrauchen und insgesamt tauglich für einen langen Aufenthalt unter Weltraumbedingungen.

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Trotz fast zwei Jahren intensiver Arbeit an HORACE, an Wochenenden und langen Abenden, und das neben den ganz normalen Anforderungen, die das Studium an sie stellte: Thomas Rapp und seine Mitstreiter wollen die Erfahrungen, die sie in dieser Zeit gesammelt haben, nicht missen – nicht einmal den Fehlschlag am Ende. Ihr Fazit: Es ist besser, so etwas jetzt zu erleben, als später im Berufsleben.

Ansprechpartner

Thomas Rapp, HORACE team leader, E-Mail-Adresse: thomas.rapp@horace-rexus.de
Prof. Dr.-Ing. Hakan Kayal, Telefonnummer: (0931) 31-86649, E-Mail-Adresse: hakan.kayal@uni-wuerzburg.de

Weitere Informationen findet Ihr unter www.horace-rexus.de.

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