Literaten und Künstler sind seit jeher vom Phänomen „Wahnsinn“ fasziniert, und manche haben ihn sogar selbst erlebt. Um diesen Themenkomplex dreht sich ab Dienstag, 29. Oktober, eine Ringvorlesung an der Universität Würzburg.
Ajax, Don Quijote, Nathanael, und viel mehr
Homers Ajax, der rasende Roland, Don Quijote oder Nathanael in E.T.A. Hoffmanns „Sandmann“: All das sind berühmte Beispiele dafür, dass der Wahnsinn zu den großen Themen in Literatur und Kunst gehört. Warum ist das Thema Wahnsinn gerade für diese Bereiche so attraktiv? Wie und warum gehen Kunst und Wahnsinn Bündnisse ein? Warum kann Kunst Wahnsinn sein? Solche Fragen beantwortet die Ringvorlesung „Wahnsinn in Literatur und Künsten“ an der Uni Würzburg, und zwar in historischer, medizingeschichtlicher und medialer Perspektive.
Hysterische Heldinnen & Co.
Die Vorträge beziehen sich auf Literatur, Malerei und Musik. Ihre Themen führen von der Antike über das Mittelalter zu den großen „Wahnsinnsrepräsentationen“ der Renaissance (Ariosto, Tasso, Cervantes, Shakespeare) und der Romantik (E.T.A. Hoffmann). Psychiatrie-kritische Tendenzen und die Pathologisierung bestimmter gesellschaftlicher und geschlechtlicher Gruppen werden ebenfalls angesprochen. Die entsprechenden Vorträge befassen sich mit den hysterischen Heldinnen der Realisten, den Bewusstseinsspaltungen in der amerikanischen Literatur und der für das moderne Künstlergenie symptomatischen Krankengeschichte (van Gogh).
Wahnsinn in Werken der Gegenwart
Die Vorlesungsreihe geht chronologisch vor. Sie zeigt die antiken und mittelalterlichen Sichtweisen auf das Thema ebenso wie die gravierenden Umbrüche, die es in den Literaturen der Frühen Neuzeit erfahren hat. „Ein besonderes Augenmerk liegt aber auf Wahnsinnsdarstellungen in der Kultur der Gegenwart“, so die Organisatoren der Veranstaltungsreihe, die Professoren Gerhard Penzkofer und Irmgard Scharold aus der Romanistik. Studierende können für den Besuch der Veranstaltung drei ECTS-Punkte im Bereich der Allgemeinen Schlüsselqualifikationen (ASQ) erwerben.
Themen und Termine
Die Vorträge finden immer dienstags um 19:30 Uhr im Brose-Hörsaal der Universität am Sanderring statt. Der Eintritt ist frei.
- 29. Oktober: „Wahnsinn und Erkenntnis. Vom Stachel der Götter zu Sokrates als Stachel“, Michael Erler, Klassische Philologie
- 5. November: „tôrheit, tobesuht, unsinne: Konzepte von Irrsinn und Wahn im deutschen Mittelalter“, Dorothea Klein, Germanistik
- 12. November: „Melancholiker und Lykanthropen. Medizin und Wahnsinn in der Renaissance“, Michael Stolberg, Geschichte der Medizin
- 19. November: „Wahnsinn als Identitätsverlust. Chrétien de Troyes, Ludovico Ariosto und Torquato Tasso”, Brigitte Burrichter, Romanistik
- 26. November: „Don Quijotes Wahnsinn“, Gerhard Penzkofer, Romanistik
- 3. Dezember: „‘Sad and merry madness.‘ Das Motiv des Wahnsinns in Shakespeares Tragödien und Komödien“, Beatrix Hesse, Anglistik
- 10. Dezember: „Unheimliche Matrix: E.T.A. Hoffmanns Wahnsinnserzählung ‚Der Sandmann‘ (1816)“, Wolfgang Riedel, Germanistik
- 17. Dezember: „Van Gogh: Ein moderner Künstler auf dem Seziertisch der Pathologen“, Bettina Gockel, Geschichte der bildenden Kunst, Theorie und Fotografie, Universität Zürich
- 7. Januar: „Das Spektakel der Hysterie: Flauberts Madame Bovary und Claríns La Regenta“, Irmgard Scharold, Romanistik
- 14. Januar: „Gesellschaftskritik und Bewusstseinsspaltung in amerikanischer Literatur“, Jochen Achilles, Amerikanistik
- 21. Januar: „Von Sinnen – bei Sinnen – bei Trost: Wahnsinns-Szenen in Schoenbergs ‚Monodram‘ Die Erwartung und in Rihms Proserpina nach Goethe“, Martin Zenck, Musikwissenschaft
- 28. Januar: „Die Schönheit einer Welt in Scherben. Martin Walsers Irrenhaus-Roman Muttersohn (2011)“, Friederike Günther, Germanistik