Nacht für Nacht dreht er seine Runden durch die beschauliche Altstadt von Würzburg. Bekleidet mit einem schwarzen Umhang, einem fränkischen Dreispitz auf dem Kopf und einer Laterne in der Hand – so zieht er mit einer Gruppe Menschen durch die Dunkelheit. Wer sich hierbei an den Rattenfänger von Hameln erinnert fühlt, liegt gänzlich falsch. Die Rede ist hier vom Würzburger Nachtwächter.
Ein stimmungsvoller Bericht von unserer Gastautor Matthias Bucks. Ab Donnerstag ist dieser mit weiteren Artikeln im neuen „Würzburger“, dem Stadtmagazin der Würzburger Medienakademie, kostenlos in vielen Cafés, Restaurants und Bars erhältlich.
Die letzten richtigen Nachtwächter gab es in Würzburg noch vor rund 100 Jahren. Sie waren wichtige Leute in der Stadt und hielten auch wichtige Aufgaben inne. So mussten sie Nacht für Nacht mit ihrem großen Schlüsselbund von Kirche zu Kirche laufen und diese absperren. Wenn ein Feuer in der Stadt ausbrach, musste er das Horn blasen. Woraufhin die Feuerwehr am Vierröhrenbrunnen zusammentraf, um mit dessen Wasser das Feuer zu löschen. Das Horn wurde aber auch genutzt, um den Leuten in der Nacht die vollen Stunden anzublasen. Darauf folgte ein christliches Lied. Solange die Bürger dies hörten, konnten sie nachts beruhigt schlafen. Falls Räuber oder Diebe nachts in der Stadt ihr Unwesen trieben, wurden sie meist vom Nachwächter überrascht und in das Stadtgefängnis geschickt. Im Laufe der Jahre wurde das Ansehen und Einkommen der Nachtwächter immer schlechter und die Einführung der Gaslaternen 1897 war letztendlich das Aus der letzten drei Nachtwächter.
Seit 1995 wurde das Amt des Nachtwächters wieder aufgenommen. Er zieht seitdem jeden Abend in historischer Uniform mit Laterne, Spieß und Horn durch die Straßen unserer Würzburger Altstadt. Einwohner, Interessierte und Gäste von überall her können so auf humorvolle Art und Weise den früheren Beruf des Nachtwächters näher kennenlernen und mehr über die Stadt erfahren. Im Würzburger Dialekt erfährt man interessante Geschichten über berühmte Persönlichkeiten wie z.B. Tilman Riemenschneider oder Balthasar Neumann. Es geht nicht um das geschichtliche Wissen, welches man in der Schule gelernt hat, sondern eher um das Menschliche, Fränkische und um Frauengeschichten.
Mit Witz und Humor wird einem auch die fränkische Mundart nähergebracht: dass die Franke nicht zwischen D und T, bzw. G und K bei der Aussprache unterscheiden. Viele schöne Geschichten, wie beispielsweise die der „Würzburger Glöckli“, machen den Rundgang zu einem einmaligen Erlebnis in die Würzburger Vergangenheit.
Stadtführungen jeden Montag bis Samstag
Wer jetzt nun selbst an so einer Stadtführung der besonderen Art teilnehmen möchte, kann dies jeden Montag bis Samstag tun. Der erste Rundgang beginnt um 20:00 Uhr, der zweite um 21:00 Uhr. Treffpunkt ist jeweils der Vierröhrenbrunnen vor dem Rathaus.
Wolfgang Mainka und sein Team bieten noch eine etwas ausgefallenere Stadtführung im Stil eines Straßenkabaretts an. Jeden Freitag und Samstag ziehen drei Würzburger Originale mit fränkischen Schmankerln durch die Altstadt. Der „Schorsch“, die „Marktbärbl“ und der „Häcker Karl“ erzählen humorvoll aus ihrem Alltag.
Buchtipp: s’Würzburger Nachtwächterbüchle
Mit diesem Büchlein begleiten Sie den Würzburger Nachtwächter Wolfgang Mainka auf seinem abendlichen Rundgang durch die Innenstadt. Es enthält humorvolle Geschichten aus der reichen Vergangenheit Würzburgs, illustriert von Simone Mainka. Erschienen im Eigenverlag W. Mainka, ISBN 987-3831100255, 10 Euro.
Unser Gastautor: Matthias Bucks, 26-jähriger Auszubildender Mediengestalter im 2. Lehrjahr der Würzburger Medienakademie, liebt Würzburg, das Meer und
gute Musik.