Die Piratenpartei empört sich seit Monaten um ein Gesetz, das keiner kennt. Es geht um die Bestandsdatenspeicherung. Hinter dem zusammengeleimten Wort versteckt sich jedoch weit mehr. Julian Plutz hat das für uns recherchiert.
Wie sagte der großartige „Journalisten-Papst“ Wolf Schneider einmal: „Die deutsche Sprache hat eine einerseits praktische und andererseits sehr umständliche Facette: Wir können Worte zusammenleimen.“ Gemeint waren zusammengesetzte Substantive, die es vereinzelt sogar in fremde Sprachen geschafft haben. Kindergarten zum Beispiel, oder Ostpolitik. Auf der anderen Seite gibt es auch recht verwirrende Worte. Die Wirtschaftswissenschaft beschäftigt sich mit „Spitzenrefinanzierungsfazilitäten“ und bringt sich selbst und andere zum Schwitzen.
Ein nicht so ganz krasses Exemplar ist das Wort „Bestandsdatenspeicherung“. Vor einigen Wochen demonstrierten die „Piraten“ in Würzburg gegen das geplante Gesetz, das zurzeit dem Bundesrat zur Abstimmung vorliegt.
Die Bestandsdaten
„Bestandsdaten“ auch bekannt al s Stammdaten sind Angaben, die Internetanbieter dauerhaft von ihren Kunden speichern. Also Name, Adresse, Kontodaten, aber auch Passwörter und IP Adressen. Aus diesen Daten kann man sehen, welche Person sich hinter dem PC verbirgt. Nicht zu verwechseln sind Bestandsdaten mit den Verkehrsdaten. Diese speichern wer wann, wo und mit wem telefoniert.
Das Gesetz
Grundsätzlich geht es bei der Bestandsdatenauskunft um die Verfolgung von Straftaten im Internet. Da diese mit den konventionellen Ermittlungsmethoden oftmals schwierig zu fassen sind, müssen die Ermittler neue Wege gehen. Und weil es bisher nicht klar war, wer überhaupt Bestandsdaten abfragen darf, kassierte das Verfassungsgericht das Gesetz und zwang die Politik zu einer Neuregelung. In dieser sind nun einige Barrieren eingebaut, die einen Missbrauch verhindern sollen. Während es in der alten Version des Gesetzes unersichtlich war, welcher Beamte, zu welcher Zeit welchen Datensatz abfragen kann, sieht der Kompromiss ein detaillierteres System der Kontrolle vor. Ebenfalls dürfen keine Daten ohne Zustimmung des Richters abgefragt werden. Das nennt man Richtervorbehalt.
Die Kritiker
Allen voran die Piratenpartei. Zwar haben die Grünen und Teile der SPD ebenfalls gegen das Gesetz gestimmt, jedoch reagierte weder Rot noch Grün auf Anfragen von Würzburg erleben. Der politische Geschäftsführer der Piraten in Würzburg sieht mit dem Gesetz die Privatsphäre der Bürger bedroht. „Durch das Gesetz können sogar Daten aufgrund von Ordnungswidrigkeiten abgefragt werden!“, schrieb der Pirat. Der im Kompromiss enthaltene und von der FDP geforderte Richtervorbehalt, sieht Winkler eher als Nachteil: „Durch die Massen an Eilanträgen und Vorgängen werden Richter komplett überflutet und sind nicht mehr in der Lage, alle Anträge sorgfältig zu prüfen.“, so der Geschäftsführer. Die Gefahr des Gesetzes verglich er anhand eines aktuellen Beispiels: Laut Piraten Würzburg hat in Brandenburg jeder 3. Finanzbeamte sensibler Steuerdaten von Bürgern ausgespäht. Die Partei sieht darin eine reale Bedrohung für die Privatsphäre jedes einzelnen.
Die Befürworter
CDU, FDP und mehrheitlich die SPD. Sie sehen in der Bestandsdatenspeicherung eine effektive Möglichkeit, Straftaten zu verfolgen. Der Kreisvorsitzende der FDP in Würzburg Berthold Haustein warnt die Piraten dagegen vor Panikmache und empfiehlt ihnen den Gesetz erst einmal zu lesen: „Polizei, Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden sowie Nachrichtendienste können auf die Daten zugreifen. Weder der Beamte des städtischen Museums noch der Professor aus der Informatikveranstaltung“ Außerdem sei dies ohne konkreten Verdacht gar nicht möglich. Die Polizei sei schon heute in der Lage, über die KFZ-Kennzeichen den Halter zu ermitteln. Mit IP Adressen würde es sich nicht anders verhalten. Straftaten, wie beispielsweise mithilfe eines Fake-Profils einen Fernseher bei Ebay anzubieten, diesen aber nach der Überweisung nicht auszuliefern, könnte nun mithilfe einer IP Abfrage besser verfolgt werden.
In Kürze wird der Bundesrat über das Gesetz abstimmen. Und wieder einmal geht es um die Frage, inwieweit die sicherheitspolitischen Maßnahmen die Freiheit des Einzelnen einschränkt. Zumindest ist das zusammengeleimte Wort „Bestandsdatenspeicherung“ für die allgemeine Meinungsbildung erklärt.