Mittwoch morgen in den schmucken Räumen nahe der Würzburger Frankenhalle. Axel Will, iPhone-App-Programmierer und einer der Mieter des hier ansässigen Coworking Vereines, schaltet die Espressomaschine an, öffnet den Kühlschrank, um Milch zu holen für den Cappuccino, den er sich frühs gerne zubereitet, und stellt wieder einmal fest, dass er wohl besser gestern schon Neue bestellt hätte: die letzte Tüte Milch ist gut wie leer. Jetzt heißt es schnell sein, bestellt er die Lieferung vor 10 Uhr, hat er eine gute Chance, daß der Fahrer des Würzburger Lieferdienstes „kaufladen.de“ sie noch am Vormittag vorbeibringt.
Umso mehr wundert er sich, daß die Bestellseite der in Heidingsfeld ansässigen Firma lapidar sagt: „Kaufladen.de ist geschlossen“. Keine Milch mehr? Keine schnelle und einfache Bestellung anderer Lebensmittel, Toilettenpapier und allem, was man in einer Bürogemeinschaft so für den täglichen Bedarf brauchen kann. Axel steht inzwischen nicht mehr allein vor dem Laptop, auch andere Coworker stehen einigermaßen betroffen dabei, man beratschlagt, wo man in Zukunft bestellen kann. Sebastian checkt, ob der Lieferprimus Amazon Frischmilch liefert: Fehlanzeige, da gibt es nur edle Bioware zum doppelten Preis, das stellt für die Bürogemeinschaft keine Lösung dar.
Bürogemeinschaft ohne Milch-Nachschub
Eine weitere Bürogemeinschaft in der Würzburger Rosengasse hat zeitgleich genau das selbe Problem, auch hier droht der Vorrat an frischer Milch auszugehen, kaufladen.de ist dicht. Marion Hampl setzt sich aufs Rad, fährt in den nicht allzunweit entfernten Tegut Markt, holt ein paar Liter, aber in beiden Büros bleibt jedoch die gleiche Verständnislosigkeit: Alle Welt spricht von eCommerce, Kunden wandern massenhaft ins Netz ab. Und in Würzburg schliesst der einzige bekannte Web/Lieferdienst? Nun ja, „bekannt“ ist relativ. Die Macher des Bringdienstes hatten es offenbar nie sehr ernst mit Werbung oder Marketing genommen.
Die Nachricht machte auf Twitter und Facebook die Runde, sofort wurde hämisch gefragt, wer denn Kaufladen.de sei und dass die
doch niemand gekannt hätte.
Als hätten die Geschäftsleute nur darauf gewartet, daß jemand die Schließung ihres zwar nicht sehr bekannten, aber in seiner Nische doch offenbar gut genutzten Dienstes vermißte, kam Tags darauf eine Email an die bestehenden Kunden: ein neuer Besitzer sei gefunden, der Dienst werde ab dem 2. April wie gewohnt fortgesetzt.
Nochmal gut gegangen, freut sich Axel mit seinen Coworking Mitmietern, den Wert der Dinge bemerkt man oft erst bei Entzug derselben.
kaufladen.de zu den Hintergründen
Der Dienstleister schrieb unserer Redaktion auf die Frage nach den Hintergründen der temporären Schließung folgende Email:
Die kurzfristige Schließung war krankheitsbedingt notwendig. Kevin hatte eine schwere Grippe, ich war beruflich auswärts und somit war kurzfristig niemand für den doch sehr komplexen Einkaufsprozess greifbar.
Das grundsätzliche Problem bei kaufladen.de ist bzw. war jedoch die Kostendeckung. Durch Bestellzeiten bis 15:00 Uhr und Auslieferung zwischen 17:00 und 19:00 Uhr am gleichen Tag wuchs der Personal- und Fahrzeugbedarf parallel mit dem Einkaufsvolumen. Eine Deckelung war demnach bei immer größerer Nachfrage nicht möglich.
Mit dem jetzigen Konzept, Einkauf bis 12:00 Uhr Lieferung zwischen 14:00 und 17:00 Uhr, erhoffen wir uns einen ökonomischeren Einsatz von Manpower und Maschine. Weiterhin konnten wir uns durch die Fusion mit Herrn Breier zusätzliche wertvolle Kapazitäten schaffen. Wir sind sicher, dass durch diese Maßnahmen der Grundstein für ein Konzept gelegt wurde, mit dem wir auch in Zukunft unsere gewohnte Qualität bieten können, ohne von den Kosten eingeholt zu werden.
Die vielen traurigen Mails unserer Kunden, für die es in Würzburg leider so gut wie keine Alternative zu kaufladen.de gibt, haben uns überzeugt, dass es mit kaufladen.de in Würzburg einfach weitergehen muss.
Wir freuen uns alle schon auf den Restart nächste Woche und (…)
Lieferdienste für Würzburg: Sinnvoll oder überflüssig?
Und deshalb fragen wir unsere Leser heute: nutzt Ihr Lieferdienste auch für Dinge außer Pizza? Welche Dienste kennt Ihr in Würzburg?
Neben dem hier beschriebenen Bringdienst kaufladen.de (mit selbiger Webadresse) gibt es noch den Nachtshop auf Facebook (facebook.com/nachtshop). Die stationären Lebensmittelhändler bieten so einen Service, anders als in vielen anderen deutschen Großstädten, nicht an, soweit es uns bekannt ist.
Der Autor
Tilman Hampl ist selbst im Coworking Würzburg e.V. sowie in der Bürogemeinschaft Rosengasse tätig und hat außer der Tatsache, daß er Kunde bei einem der genannten Lieferdienste ist, nicht mit diesen zu tun.