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Würzburg - Foto: Pascal Höfig
Symbolbild Würzburg

Der „Terror-Luftangriff“ auf Würzburg 1945 – ein Vortrag von Erich Felgenhauer

Unsere Mütter, unsere Väter. Die deutsche Erinnerungskultur an den 2. Weltkrieg ist derzeit Thema. In Fernsehfilmen, Diskussionsrunden und in den Medien. Für Würzburg ist der 16. März, der Tag der Zerstörung, ein Tag des Gedenkens und des Mahnens. Er soll der Versöhnung dienen und immer wieder uns bewußt machen: Nie wieder Krieg! Am Abend des 16. März lud der Stadtrat Erich Felgenhauer zum Vortrag „Der Terror-Luftangriff auf Würzburg“. Riccardo Altieri war für uns im vollbesetzten Hörsaal und hat zugehört. Eine Facette der Würzburger Erinnerungskultur.

Der „Terror-Luftangriff“ auf Würzburg 1945 – ein Vortrag von Erich Felgenhauer

„Am Abend des 16. März 2013 lud der Stadtrat und ehemalige Bürgermeister, Erich Felgenhauer, zu einem Informationsabend in die Fachhochschule am Röntgenring ein. Thema seines Vortrags war eben jener 16. März vor 68 Jahren, an dem Würzburg von der No. 5 Bomber Group bombardiert wurde. Dieselbe,

aus Lancastern und Mosquitos bestehende Lufteinheit hatte  vom 13. bis 15. Februar auch Dresden bombardiert.

Um das Auditorium im völlig überfüllten Hörsaal in die richtige Stimmung zu versetzen, begann Felgenhauer mit einem Zitat von Leo Weismantel, der sagt: „Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Anblick Dresdens.“ Nach der Meinung des Politikers könne man problemlos Dresden durch Würzburg ersetzen, das Zitat verlöre dadurch nicht an inhaltlicher Richtigkeit. Im Anschluss berichtete Felgenhauer, zum Teil nach eigener Erfahrung, zum Teil nach Berichten anderer Zeitzeugen, wie sich der 16. März für die Würzburger Bevölkerung dargestellt hatte: „Es war ein warmer Freitagnachmittag, die Kinder spielten mit Springreifen auf der Straße, während Frauen die Fenster ihrer Häuser putzten.“ Man wähnte sich in Sicherheit, so skizziert Felgenhauer das Verhalten der Menschen, denn Würzburg galt aufgrund seiner über 40 Lazarette und Krankenhäuser als Stadt, die nicht auf der Prioritätsliste der Alliierten stand. Dennoch kam es zur Bombardierung. Was hatte dazu geführt?

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Felgenhauer erzählt weiter, dass es im Jahre 1909 sogar einen Besuch Churchills in Würzburg gegeben haben soll, damals war er offizieller britischer Beobachter eines Kaisermanövers. Er habe großen Gefallen an der Stadt gefunden. Ein Angriff wäre demnach undenkbar. „Doch es kam alles anders…“, sagt Felgenhauer mit leiser Stimme und betont diese Zäsur seines Berichtes mit einer schwerwiegenden Pause. Viele der Besucher des Vortrages waren selbst im Alter des Redners oder sogar noch älter. Sie stimmten ihm meist durch schweigendes Nicken oder bejahende Rufe zu. Als es im Bericht um die verschiedenen Schutzkeller, Fluchttunnel und Löschteiche geht, erkennen einige der Zuhörenden ihre eigene Geschichte wieder.

Was nun folgte, war ein detaillierter Bericht über die Handlungsabläufe dieses Freitagabends. In freier Rede und ohne jegliches Skript berichtet Felgenhauer: „Gegen 19:00 Uhr gab es einen Kleinalarm. Die britischen Flugzeuge kamen nicht über Norddeutschland nach Würzburg und Nürnberg, sie flogen über Frankreich und bogen nach den Vogesen in das Reich ein. Mit sog. Lametta-Störsendern lenkte man die deutschen Nachtjäger teilweise bis nach Hanau. Nach einem weiteren Voralarm ertönte 45 Minuten vor Beginn des Angriffs der Vollalarm.“ Während Frauen, Kinder und Greise in die mit SR und LSR gekennzeichneten Schutzräume und Luftschutzräume flohen, war es Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen seitens der Berliner Regierung verboten, in denselben Kellern das Überleben zu suchen. Dann begann das Inferno und „das, was wir in Hunderten von Jahren aufgebaut haben, hat nur 17 Minuten gedauert, bis es zerstört war.“

Als Felgenhauer vom Verhalten der Bürgerinnen und Bürger spricht, fehlen ihm an manchen Stellen die Worte, so auch an der Stelle, als er das Handeln der Würzburger Ordensfrauen beschreibt: „Für mich sind das moderne Heilige, die bei ihren gebrechlichen, kranken und alten Verwandten blieben. Und mit ihnen verbrannten. Haben Beistand geleistet. Bis zuletzt.“ Daneben berichtete Felgenhauer vom beispielhaften Verhalten einiger französischer Kriegsgefangener, die Verletzte und Kranke auf ihren Schultern aus der brennenden Stadt an das rettende Ufer des Mains trugen. „Es ist wirklich schade, dass diese – man möchte schon Helden sagen – bis heute namenlos geblieben sind. Eigentlich müsste man ihnen öffentlich danken.“„Würzburg hatte dann mit einem Schlag 80.000 Obdachlose.“, berichtet Felgenhauer weiter.

Während des gesamten Vortrages kam es allerdings mehrfach zu verstörenden Momenten. Die Tatsache, dass der Würzburger Stadtrat sich 2011 dagegen

entschieden hatte, eine Informationstafel im Grafeneckart anzubringen, auf der zu lesen gewesen wäre „Wenn wir so weiter machen, machen wir uns des Völkermordes schuldig.“ oder „Mir scheint (…), dass man die Bombardierung deutscher Städte um des wachsenden Terrors willen (…) überdenken sollte.“, erzeugt in Erich Felgenhauer kein Verständnis. „Lassen Sie mich das sagen: man darf heute nicht mehr Churchill zitieren“, bemerkt er mit gekränkter Stimme, sichtlich in Bezug auf die gescheiterten Verhandlungen von 2011. Ebenfalls irritierend wirkte sich die fehlende Abschlussdiskussion aus. Ein Gast tat seine Meinung wie folgt kund: „Warum verschränken die Leute heute ihre Hände in totaler Empörung hinter ihren Köpfen, wenn man damals den totalen Krieg wollte?“

Ganz leer ließ Erich Felgenhauer die Leute aber dennoch nicht nachhause gehen. Mit mehreren Seiten von Primär- und Sekundärliteraturexemplaren verdeutlichte der Politiker, dass all seine Aussagen wissenschaftlich fundiert und überprüfbar seien.“

Riccardo Altieri

Meinungskommentar der Redaktion

Als Teil der Erinnerungskultur unseres Landes ist es unerlässlich, auf die vielen Opfer hinzuweisen, die die Luftangriffe der Alliierten gefordert haben. Persönliche Erinnerungen von Betroffenen nehmen hierbei einen besonders wertvollen Platz ein – um der Trauer Ausdruck zu geben, jedoch auch aus einem verantwortungsvollen Grund: um darauf hinzuweisen und den nachfolgenden Generationen deutlich zu machen, dass es zu aggressiven, kriegstreiberischen Handlungen wie „damals“ nicht mehr kommen darf. Jener Krieg, der jahrelangen, willkürlichen Terror für Europa bedeutete, ging von Deutschland aus. Felgenhauers Quellen und scheinbar wissenschaftlich abgesicherte Behauptungen sollten also kein Anlass sein, in einem Vortrag nur auf die Würzburger Opfer einzugehen, die Millionen von Toten aber, die der Angriffskrieg und die Verbrechen, die von Deutschem Boden ausgingen, gekostet hat, im Dunkel der Geschichte verschwinden zu lassen. Erst recht nicht am Tag des Gedenkens selbst.

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