Ausschwitz-Überlebende Bathseva Dagan trug sich ins Goldene Buch der Stadt Würzburg ein
Wie das Büro des Oberbürgermeisters in einer Pressemitteilung informiert, trug sich die Auschwitz-Überlebende Bathseva Dagan am vergangenen Montag im Anschluss an eine Lesung ins Goldene Buch der Stadt ein.
Sie will die „Kette des Hasses“ brechen
Bathseva Dagan ist eine kleine, gütige, quirlige Frau mit funkelnden Augen. Ihre 87 Jahre sieht man ihr nicht an, ebenso wenig ihr schweres Leben. Sie lacht mit den Menschen und zitiert bisweilen eines ihrer Gedichte. Bathseva Dagan sieht es als ihre Mission an, ihre Geschichte Kindern und jungen Menschen zu erzählen – auch in Deutschland. Sie will „die Kette des Hasses brechen“. In dieser Woche besucht sie Würzburg und liest in der Stadtbücherei, bei Lesungen vor Schülern der Grundschule Heuchelhof, der Mittelschule Zellerau und der Mönchbergschule aus ihren Kinder- und Jugendbüchern, die sich mit ihren Erfahrungen des Holocausts auseinandersetzen.
„Würzburg sucht und findet Wege zum Gedenken.“
Bathseva Dagan ist Auschwitz-Überlebende und hat im letzten Jahr in Israel die Flamme der Erinnerung in Yad Vashem entzündet. Am Montag wurde sie im Wenzelsaal des Würzburger Rathauses von Oberbürgermeister Georg Rosenthal empfangen. Dort trug sie sich in das Goldene Buch der Stadt ein mit den Worten: „Würzburg sucht und findet Wege zum Gedenken.“
Mit tiefer Anerkennung Auschwitzüberlebende, Psychologin und Autorin Bathseva Dagan.“ Oberbürgermeister Georg Rosenthal reichte Bathseva Dagan als Willkommensgruß und Ehrerbietung den Ratsbecher von Tilman Riemenschneider, gefüllt mit rotem Traubensaft, und einen Bildband über Würzburg. Denn die tiefe Anerkennung ist eigentlich eher Bathseva Dagan geschuldet. Trotz ihrer Geschichte, die von Tod, Leid, Angst geprägt ist, hat sie den Weg nach Deutschland wieder gefunden und sucht den Kontakt zu jungen Menschen.
Botschafterin für ein friedliches Zusammenleben
Sie möchte den Kindern sagen, was sie erlebt hat. Es sind Geschichten von Menschen, die in Lager gesperrt wurden, Schlimmes erlebten und sich doch nicht zerbrechen ließen. Geschichten, die sie in Auschwitz und in Ravensbrück sah und am eigenen Leib erlebte. Und doch enden alle ihre Geschichten mit einem Happy End. „Das bin ich den Kindern schuldig, sie sollen an die Menschen und den lieben Gott glauben“, sagt sie. Und weiter: „Man muss das Böse verurteilen und das Gute als Identifizierungsmodell anbieten. Erziehung ist der Schlüssel für eine bessere Zukunft, deshalb bin ich da, das ist auch mein Sieg. Ich habe in diesem Land mit Angst gelebt. Jetzt bin ich ein freier Mensch“. Den Kindern gibt sie auf ihren Lesungen mit auf den Weg: „Du hast immer eine Wahl.“
Der Lebensweg der Izabela Bathseva Dagan
Izabela Bathseva Dagan wurde am 8. September 1925 in der polnischen Stadt Lódź als Izabela Bathseva Rubinstein geboren. Sie hatte acht Geschwister, von der elfköpfigen Familie kamen sieben während des Holocausts ums Leben. 1940 zog ein Teil der Familie nach Radom, 1941 kamen sie dort in ein Ghetto. 1942 begann die Aussiedlung der Juden, eine Schwester und die Eltern Bathsevas wurden nach Treblinka verschleppt und dort vergast. Es blieben nur noch Bathseva und ihre jüngere Schwester Sabina. Sie beschlossen nach Deutschland zu fliehen, Bathseva flüchtete, die Schwester sollte nachkommen, wurde jedoch bei dem Versuch, das Ghetto zu verlassen, erschossen. Im November
1942 kam Bathseva mit gefälschten Ausweispapieren nach Schwerin und arbeitete als katholische Polin getarnt als Dienstmädchen bei einer deutschen Familie. Doch nach einigen Monaten wurde sie aus Polen denunziert und verbrachte die nächsten Monate in sechs verschiedenen Gefängnissen in Deutschland.
Schließlich wurde sie am 25. Mai 1943 mit 17 Jahren in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Ihre ebenfalls deportierte Cousine Alunia trifft sie durch Zufall in Auschwitz. Sie verschafft ihr im Lager eine Stelle als Krankenschwester. Täglich sieht sie Tausende von Frauen, Männern und Kindern zur Gaskammer laufen, sie hört ihre Schreie, findet ihre Kleidungsstücke. In Auschwitz hört sie aber auch viele Sprachen. Als sie Auschwitz nach 20 Monaten bei der Liquidation des Lagers verließ, sprach sie fließend Französisch. Sie wog noch 40 Kilogramm und litt an Tuberkulose. Bei minus 20 Grad mussten die Überlebenden nach Löslau laufen und wurden von dort aus in das KZ Ravensbrück verlagert. In dem Hungerlager arbeitete Bathseva bis zur Befreiung.
An ihrem 20. Geburtstag, am 8. September 1945, schließlich begann ihr neues Leben in Palästina und sie durfte wieder lernen und studieren. Sie heiratete, gebar zwei Söhne, wurde Kindergärtnerin, studierte Psychologie an der Universität Jerusalem und in den USA. Als Kinderpsychologin arbeitete sie mit verhaltensauffälligen und behinderten Kindern und bildete Lehrer und Psychologen aus. Immer mehr drängte sich ihr der Wunsch auf, etwas für die kommende Generation tun zu müssen und das Erzählen war ihr inneres Bedürfnis. Bis heute ist Bathseva Dagan ehrenamtlich Gastdozentin in Collegs und in der Gedenkstätte Yad Vashem. Sie lehrt und entwickelt Werkstätten zum Thema Shoa in Mexico-City, London, Russland, Nordamerika, Kanada, England und Deutschland.
Bathseva Dagan spricht neben sechs anderen Sprachen perfekt Deutsch („Sprachen sind für mich immer wie ein Schutzengel gewesen“) und wirkt seit 2002 als Zeitzeugin bei zahlreichen Jugendprojekten und Veranstaltungen des Landtages Mecklenburg-Vorpommern zur Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus mit. Sie wurde 2007 mit dem Verdienstkreuz am Band des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.