Die „Bio“- und „Produkte aus der Region“-Branche suggeriert dem Konsumenten einen Mehrwert: Ob Gesundheit, Sicherheit oder einfach nur ein gutes Gefühl – wer Bio kauft, lebt besser. Leider jedoch hat dieses Vorurteil wenig mit der Realität zu tun. Ein Meinungsartikel von Julian Plutz.
Es gibt Meinungen, da nicken alle mit dem Kopf. Sie sind breiter Konsens und die wenigstens kommen auch nur auf die Idee, sie zu hinterfragen. Dabei gibt es womöglich alternative Ansichten, die sogar richtiger sind. Doch das ist egal. Der Konsens hat Recht, selbst wenn er unrecht hat.
Weitverbreiteter Konsens ist: Bioprodukte sind gesünder und Produkte aus der Region sind ökologischer. Doch hier wird schnell klar, dass der Konsens mit diesen Aussagen auf dem Holzweg ist. „Bio“ ist in der Regel nicht besser und „regional“ ist häufig unökologischer als andere Produkte.
Seit Jahren versuchen Forscher eifrig zu belegen, ob Biokost dem Körper tatsächlich besser tut als herkömmliche Produkte. Bis heute ohne Erfolg. Viele Vertreter aus der Ökobranche geben das auch offen zu. Katherine DiMatteo, Chefin des amerikanischen Verbands der Biohändler gestand in einem Interview, ihre Produkte seien „so nahrhaft wie die anderen Produkte auf dem Markt.“ Auch die „Stiftung Warentest“ kommt regelmäßig zum gleichen Ergebnis. Zwar gibt es immer mal Bioprodukte, die in den Tests besser abschneiden. Genauso gibt es aber auch konventionelle Lebensmittel, die eine höhere Gesamtnote aufweisen.
Kaffee ist krebserregender als Pestizidrückstände
Bioprodukte sind also grundsätzlich nicht gesünder, als konventionelle Lebensmittel. Aber was ist mit dem Thema „Pestizide“? Es ist mittlerweile bewiesen, dass in Bioprodukten weniger Rückstände von Pestiziden gefunden wurde, als in konventionellen Lebensmitteln. Doch was viele Verbraucher nicht wissen: Pestizide stehen in der Rangfolge der realen Gesundheitsgefahren weit unten. Schlechte Ernährung oder Pilze (die durch Pestizide bekämpft werden) sind wesentlich relevanter. Das beispielswiese der Magenkrebs zurückging, ist vermutlich ein Erfolg des chemischen Pflanzenschutzes. Denn pilzverseuchtes Essen versursacht diesen Krebs.
Nach Ansichten von Toxikologen sind die minimalen Pestizidmengen, die der Endverbraucher aufnimmt, ungefährlich. Zwar werden immer wieder Rückstände von Pflanzenschutzmittel entdeckt; diese sind jedoch fast immer unbedenklich. Besonders plastisch drückte es Bruce Ames, Professor für Biochemie, aus: „In einer einzigen Tasse Kaffee sind mehr Stoffe, die im Tierversuch Krebs auslösten, als potenziell krebserregende Pestizidrückstände im Essen eines Durchschnittsverbrauchers.“
Regionale Produkte häufig ineffizient
Davon abgesehen dürfen die Biobauern sehr wohl Gifte benutzen. Die Liste umfasst mehrere Mittel wie Mineralöle, Kaliumpermanganat oder Kupfer. Letzteres ist als Schwermetall wie Quecksilber besonders kritisch zu sehen. Es ist nicht mehr aus den Böden zu entfernen, schädigt das Bodenleben massiv.
Was ist mit Produkten aus der Region? Jeder kennt die Biokiste vom Bauern, die wöchentlich geliefert wird. Man hat ein gutes Gefühl, der Weg des Gemüses zur Haustür ist viel näher, als der Lange Weg von Übersee bis zum heimischen ermarkt. „Das kann doch nicht ökologisch sein!“ denken sich viele. Doch leider täuscht sich auch hier der Konsens.
Denn ein Apfel aus Übersee kann dem heimisch erzeugten Apfel ökologisch durchaus überlegen sein. Wir alle legen einen großen Wert auf frische Produkte. Wir ziehen einen knackigen Apfel einem Verschrumpelten vor. Und das macht auch Sinn. Vitamine verfallen rasch, verdorbene oder schimmlige Nahrungsgüter können ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellen
Beim Energieverbrauch geraten die Annahmen über die Vorurteile von regionalen Produkten ebenfalls ins Wanken. Stichwort Energiebilanz. Die Manchester Business School nahm die Umweltbilanz von 150 der am stärksten nachgefragten Produkte britischer Märkte unter die Lupe. Ergebnis: Man kann nicht generell sagen, dass lokale Lebensmittel eine bessere Umweltbilanz haben. Mal ist es so, mal so. Es gibt eine Reihe von Studien, zusammengefasst vom „Humboldt Forum for food and agriculture“, die auch die negativen sozialen Auswirkungen von nationaler Abschottung dargelegt. Das sollte jedoch hier zu weit führen.
Man sollte nicht drum herum kommen, sich außerhalb des Konsenses eine Meinung zu bilden. Denn eines sollte nicht vergessen werden: Bioprodukte und regionale Produkte sind häufig teurer. Die Biobranche versucht hier ein Alleinstellungsmerkmal zu generieren, das es schlicht nicht gibt.
Quellen:
1< > „Biokost und Ökokult“, Maxeiner, Mirsch, 2011 s 31
2< > http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/acht-jahres-bilanz-tester-sehen-bio-gleichauf-mit-ueblichen-lebensmitteln-a-696969.html
3< > http://www.test.de/Pestizide-in-Biolebensmitteln-Deutsche-Bioware-mit-weisser-Weste-4403486-0/
4< > „Biokost und Ökokult“, s35
5< > http://www.welt.de/welt_print/article3014814/Wie-gefaehrlich-sind-Pestizide.html
6< > „Biokost und Ökokult“ s36
7< > http://www.novo-magazin.de/75/novo7536.html
8< > „Ananas aus dem Allgäu?“, Prof. Harald von Witzke 2012