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Würzburg - Foto: Pascal Höfig
Symbolbild Würzburg

10 Jahre Agenda 2010 – Nur eine Reformlüge?

10 Jahre ist es her, als SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder weitreichende Arbeitsmarkt- und Sozialreformen unter dem Titel „Agenda 2010“ umsetzte. Ziel war es, Deutschland nach vorausgegangenen Wirtschaftskrisen wieder wettbewerbsfähig zu machen. Besieht man die Zahl der Arbeitslosen, die seinerzeit über 5 Mio. Menschen betrug, ist dies gelungen. Der DGB Würzburg nimmt den Jahrestag zum Anlass, die „Agenda 2010“ unter die Lupe zu nehmen. Handelt es sich um eine Reformlüge? Hier der Text:

Agenda 2010 – Eine Reformlüge?

Mit mehr als 41 Mio. Erwerbstätigen gab es noch nie so viele wie heute. Die Arbeitslosigkeit ist mit etwa 3 Mio. gegenüber dem Jahr 2003 deutlich zurückgegangen. Diese Aussagen sind zunächst einmal richtig und genügen im Allgemeinen um die Legende der Wirtschafts- rettenden-Agenda zu befördern. Logo DGB ohne SchattenDoch diese Bestandsaufnahme ist nur bruchstückhaft. Sie blendet zum einen die Frage aus, ob die Wirtschaftskraft Deutschlands mit diesen Reformen im Zusammenhang steht und welche gesellschaftlichen Veränderungen die Agenda 2010 ausgelöst hat, die wir heute beklagen.

Wenig Beachtung finden in der öffentlichen Debatte folgende Tatsachen. Im Vergleich zum Jahr 2000 leistet unsere Gesellschaft das gleiche Arbeitsvolumen. D.h. die geleisteten Arbeitsstunden pro Jahr befinden sich auf dem gleichen Niveau wie vor dreizehn Jahren. Massiv verändert hat sich allerdings die Struktur der Beschäftigung. So sank in diesen Jahren die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs von knapp 24 Mio. auf ungefähr 22,5 Mio. Dagegen stieg die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitjobs von 4 auf über 5 Mio., die Anzahl der Minijobs (2000 noch unbekannt) auf über 7,5 Mio. und die der Leiharbeitnehmer von gut 300 000 auf knapp 1 Mio.! Wir haben es folglich mit zwei Phänomenen zu tun. Zum einen mit einer Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich. Zum anderen mit dem Ausbau unsicherer, ungeschützter Beschäftigungsverhältnisse.

Hartz IV – Arbeiten zu jedem Preis

Mit dieser Entwicklung geht parallel die Expansion des Niedriglohnsektors in der Bundesrepublik einher. Dieser stieg von 15% auf nunmehr 22% aller Beschäftigten. Damit liegt Deutschland in Europa an der Spitze- bzw. am Ende. Über 5 Mio. Menschen verdienen weniger als 8 Euro in der Stunde, über 1,2 Mio. müssen für weniger als 5 Euro/ Stunde arbeiten. Ursächlich dafür bleibt das Hartz IV- System, das von den Betroffenen verlangt Arbeit zu jedem Preis anzunehmen. Ohne jeglichen Schutz vor ausbeuterischen Missbrauch.

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Unter dem Strich bin ich mit Prof. Peter Bofinger einig, der die Stärke der deutschen Wirtschaft nicht auf die Arbeitsmarktreformen zurückführt, sondern auf die breite mittelständische Industriestruktur. Und gerade diejenigen Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, bezahlen die höchsten Löhne und liefern beste Produkte, keine billige Ramschware. Das sei vor und nach der Agenda so gewesen. Der Aufschwung wurde nach der konjunkturellen weltwirtschaftlichen Delle der Jahre 2003 bis 2005 durch die robuste Industriestruktur gewährleistet und hatte mit der Agenda so gut wie nichts zu tun.

Frank Firsching: „Es bleibt festzustellen, dass die Agenda 2010 dieses Land verändert hat. Gerettet hat sie es nicht!“

Immer mehr Menschen sind arm trotz Arbeit und brauchen staatliche Unterstützung um über die Runden zu kommen. Gleichzeitig entstand ein neues Prekariat. Menschen, die aus dem Teufelskreis zwischen Minijob, Leiharbeit und Hatz IV keinen Weg finden. Nicht zu vergessen sind massive Umverteilungstendenzen. Trotz Beschönigungen zeigt der Armuts- und Reichtumsbereicht deutlich auf, wie die Schere zwischen Arm und Reich in diesem Land auseinander geht. Gift für den sozialen Frieden und den Zusammenhalt im Land. Nicht umsonst erfreut sich das Thema „soziale Gerechtigkeit“ im Bundestagswahljahr größter Beliebtheit.

Ich bin mir sicher, dass an der Legende der Agenda 2010 weiter medial gestrickt wird. Albrecht Müller hat Recht wenn er in seinem Buch „Die Reformlüge“ beklagt, dass die Lüge wahr wird, wenn sie nur oft genug wiederholt wird und keinen Widerspruch erzeugt.(PM DGB Würzburg)

 

 

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