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Würzburg - Foto: Pascal Höfig
Symbolbild Würzburg

Intelligent, absurd, witzig – Politisches Theater ohne Moralkeule

Wer politisches Theater mag, es bisher jedoch nur als arbeitsamen Abend auf schlechten Sitzen erlebt hat, sollte sich „Polizei“ von Sławomir Mrożek ansehen. Denn dem  “Theater-Ensemble” gelingt es, ein durchaus ernstes Thema unterhaltsam und geistreich darzustellen. So kurzweilig ist Theater selten.

Wenn eine Bühne politisches Theater macht, bürgt das gleich mehrere Gefahren. Erstens: Dieses politische Theaterstück ist inhaltlich so abstoßend, dass es selbst die eigenen Darsteller verschreckt. Und zweitens: Natürlich sind neben den Darstellern auch die Zuschauer  irritiert und meiden das Theater. Beim Schicksal der  “Werkstattbühne” treffen gleich beide Punkte zu. Die Beteiligten brachten es fertig, die Off-Bühne vom experimentierfreudigen Alternativtheater zu einer abgewrackten und linksextremen Bastion larmoyanter  Alt-RAFler und deren Anhänger herunterzuwirtschaften. Am 13. März wird die Werkstattbühne in der Ottostraße zwangsversteigert.

Ganz anders dagegen das “Theater-Ensemble” in der Frankfurter Straße. In ihrer Satire “Polizei” (original: “Policia”) beweist die junge Regisseurin Karolin Benker, dass politisches Theater weder langatmig, noch anstrengend sein muss. Im Gegenteil: Ganz lebhaft geht es auf der Bühne zu.

Überzeugend unverkrampftes Spiel

In einem namenlosen Land zu einer nicht bekannten Zeit regiert mit harter Hand ein Herrscher. Der einzige verbleibende Gefangene will nach Jahren den Loyalitätsschrieb an das Land und den Führer unterschreiben, um von nun an als rechtsschaffender Bürger zu leben. Die Folgen werden für den Kommandanten schnell ersichtlich: Die Polizei wird überflüssig. Also überlegt er sich einen perfiden und absurden Plan. Stefan Schleibinger überzeugt als regimtreuer Kommandant, ebenso wie der letzte Gefangene Markus Rakowsky. Dennis Kappelsberger hat in seiner Rolle eine besonders große Herausforderung zu meistern. Erfolgreich schaffte er den Spagat,  zunächst den ergebenen Sergeanten und anschließend selbst einen Regime kritischen Gefangenen überzeugend darzustellen.

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Im Allgemeinen erlebt man ein lebhaftes und unverkrampftes Ensemble, das sichtlich Spaß an der Inszenierung hat. Andrej Mittelstädt brachte in der Rolle des Generalen ein bisschen Sowjet-Flavor in das Spiel und spricht den überheblichen Befehlshaber mit russischem Akzent. Des Weiteren spielt Freya Zeh in einer kleineren Rolle.

 Geschickte Assoziationen zur Weltgeschichte 

Und so erlebt  der Zuschauer immer wieder Parallelen zu geschichtlichen Themen. Bei allem Klamauk und bei aller Groteske wirft das Stück jedoch die Frage auf, inwieweit  “Befehl und Gehorsam” gefährlich werden könnte. Ab wann ist ein Befehl  anzuzweifeln? Wie weit ist ein Untergebener  freidenkend? “Die Polizei” nimmt sich diesem Thema an und treibt es ad absurdum. Jedoch hat das Stück, nicht nur wegen des russischen Akzentes, einen unverkennbaren  Stalin-Beigeschmack. Und der kommt nicht von ungefähr: Der Autor lebte mehrere Jahre im Exil und empfand das sozialistische System als unerträglich. Wenn man das Stück auf Systeme wie in der DDR, in der UDSSR oder gar im Nazideutschland überträgt, kommt man zu interessanten Schlussfolgerungen.

Ein Befehl ist zwar ein Befehl und die Wehrmacht hielt sich an geltende Befehle, genauso wie die Stasi sich an ihr Gesetz hielt. Diese Art von Rechtspositivismus scheint jedoch überholt, denn, so banal es klingt, liegt doch der Anfang des Verderbens in dem Kindersatz: “Wenn ich sage, dass du von der Brücke springst, machst du es dann ebenso?” Freilich war  es in der Realität schwieriger, sich dem Befehl zu widersagen. Es drohten harte Strafen, bis hin zur standrechtlichen Erschießung. Und doch formierte sich in den besagten Ländern  militärischer Widerstand.

“Polizei” ist  eben nicht das Zeigefingertheater, das schon zu oft gesehen wurde. Der Autor verzichtete auf eine verbalisierte Moral; viel mehr baut er in “Policia” auf den Intellekt des Zuschauers. Durch  das groteske Darstellen von Befehl und Gehorsam wird  schnell deutlich, wohin die Reise geht. Es geht um die Kritik an autoritären Regimen. Jedoch wird dies nie ausgesprochen; es gibt keine Erzählstimme oder Chroräle, die uns sagen, wie wir das Stück zu interpretieren haben. Auch ellenlange Ausführungen im Programmheft fehlen. Es ist schlicht eine intelligente und unterhaltsame Interpretation politischen Theaters.

“Polizei” läuft im Theater Ensemble Würzburg noch bis zum 30. März. Karten unter http://www.theater-ensemble.net/

// Es gibt keinen kausalen Zusammenang zwischen der finanziellen Lage der „Werkstattbühne“ und der Zwangsversteigerung. Die „Werkstattbühne“ ist keine Eigentümer der Räumlichkeiten in der Rüdigerstraße //

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