Bayern hat seine Videoüberwachung in den vergangenen Jahren stark ausgeweitet. Mit 17.000 Videokameras überwacht die Landesregierung öffentliche Orte – 5.500 mehr als noch vor fünf Jahren. Datenschützer sprechen von einem „bedenklichen Trend“. Wie sieht es in Würzburg aus? Gast-Autorin Michaela Keupp hat genau hingesehen. Hier ihre „Aufzeichnung“:
Alle verdächtig?
In Würzburgs Innenstadt gibt es jede Menge Kameras. Allein bei der Straßenbahn sind es pro Station bis zu drei, auch viele der Busse sind mit Überwachungstechnik ausgestattet.
„Auf Nachfrage bei der Stadt Würzburg konnte ich erfahren, dass die Stadt keine Kameras einsetzt. Die WVV hat auf die Anfrage, wie viele Kameras sie auf das Stadtgebiet verteilt, geantwortet:
„Wir betreiben an den Schwerpunkthaltestellen Hauptbahnhof, Juliuspromenade, Sannderring, Reuterstraße, Streckenabschnitt Madrider Ring, Endhaltestelle Mainaustraße, Endhaltestelle Rottenbauer insgesamt 19 Kameras. Diese dienen der Überwachung und Disposition unseres Verkehrsablaufs durch die Leiststelle. Ebenso ist in den 14 Fahrzeugen der Baureihe GT-E eine Kamera im Niederflurabteil angeordnet, um die Ein- und Aussteigevorgänge von mobilitätsbehinderten Fahrgästen sicher durch den Fahrer abwicklen zu können. Aufzeichnungen und Speicherungen werden nicht vorgenommen.“
Vom Polizeipräsidium Unterfranken habe ich als Antwort erhalten, dass sie selbest keine Kameras in der Innenstadt installiert haben. Aber „die WVV setzt Kameras an ihren Verkehrswegen ein, die Anzahl und exakten Standorte sind hier nicht bekannt. Des Weiteren betreibt der Einzelhandel ganz allgemein seine Überwachung mittels Kameras, die in bald jedem Ladengeschäft zu sehen sind.“
Kameras verhindern keine Verbrechen. Sie sorgen nur dafür, dass sie an anderen Orten stattfinden. So wird das Verbrechen nicht im überwachten Bereich begangen, sondern eine Querstraße weiter. Durch Kameras wird die Stadt also nicht sicherer. Zudem haben in den letzten Jahren leider viele Vorfälle gezeigt, dass sich trotz nahezu lückenloser Kameraüberwachung immer wieder schwere Verbrechen ereignen. Man denke dabei nur an die diversen Überfälle in U-Bahn-Stationen andererorts, teilweise sogar mit Todesfolge.
Auch sind die Kameras so zahlreich, dass sie nicht in Echtzeit ausgewertet werden können. Ob der Flut der Daten sind die Polizeikräfte überfordert. Nur bei der Aufklärung von Verbrechen helfen Kameras – sollte das Gesicht oder ein anderes Merkmal des Täters erkennbar sein. In vielen Fällen jedoch ist die Auflösung zu gering, um verwertbare Informationen zu erhalten.
Wie man am Beispiel des versuchten Anschlags am Bonner Hauptbahnhof sieht, nützen Überwachungskameras oft nicht einmal mehr zur Aufklärung von Verbrechen, denn die Bilder der an Gleis 1 montierten Kameras wurden nicht gespeichert. Siehe hierzu die Berichterstattung im Generalanzeiger.
INDECT – alle werden zu Verdächtigen
- rennen, kämpfen
- auf dem Fußboden sitzen und zu langes Verweilen, z. B. auf Bänken
- vergessen von Gepäck im öffentlichen Nahverkehr oder auf Flughäfen
Bei dem Projekt geht es darum, die verschiedenen Quellen zusammenzuführen und eine lückenlose Verfolgung einer Person über Kameras zu ermöglichen. Auch eine Verfolgung mit Drohnen und die Möglichkeit, mithilfe von Gesichtserkennungssoftware Bewegungsmuster zu erstellen, werden erforscht.
Was ist verdächtig? – Eine Frage der Definition
Welches Verhalten „verdächtig“ ist, kann jederzeit neu definiert werden. Bei uns in Deutschland ist das Verfahren deshalb so nicht einsetzbar, denn INDECT hebelt die Unschuldsvermutung aus. Auch datenschutzrechtlich ist INDECT nicht mit den deutschen Gesetzen vereinbar. Mit dem durch Staatsgelder
finanzierten Projekt entwickeln europäische Unternehmen ihre Überwachungs- und Sicherheitstechnik weiter. Selbst wenn uns in Deutschland keine Gefahr durch INDECT droht, wird diese Technik sicher in anderen Ländern vermarktet. Speziell gegen INDECT gibt es die Webseite stopp-indect mit weiterführenden Informationen.
Vorratsdatenspeicherung
Und ewig grüßt das Murmeltier. Von 2007 bis 2010 hatten wir in Deutschland ein Gesetz zur anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten. 2010 wurde eben dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht gekippt, da es unter anderem keine konkreten Maßnahmen zur Datensicherheit vorsah. Doch regelmäßig wünschen sich Politiker die VDS zurück – aus zweifelhafem Anlass. So zum Beispiel nach einem Attentat in Toulouse, nach dem behauptet worden war, durch die Vorratsdatenspeicherung habe der Fall aufgeklärt werden können. Tatsache ist jedoch, dass den Täter ein Motorradhändler identifiziert hatte, dessen Stammkunde er gewesen war. Siehe hier.
Seit Ende des letzten Jahres steht im EU-Parlament eine Abstimmung an, in der es um die anlasslose Erfassung aller Fluggastdaten geht. Einige Forderungen gehen sogar soweit, auch eine Datenerfassung des Landverkehrs, also z.B. bei Zugfahrten vorzunehmen. Diese Gesetze wären ebenfalls unverhältnismäßige Eingriffe in die Privatsphäre.
__________________________
Autorendaten: Michaela Keupp ist gebürtige Würzburgerin. Demokratie und Überwachung passen ihrer Ansicht nach nicht zusammen. Für die Piraten möchte sie in den Landtag.
[adrotate banner=“4″]