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Würzburg - Foto: Pascal Höfig
Symbolbild Würzburg

Würzburg diskutiert: Kompliment oder Sexismus?

Gestern wurde auf unserer Facebook-Seite über ein Youtube-Video (siehe unten) diskutiert, in der eine Würzburgerin über ihr sexistisches Erlebnis berichtet. Wer die junge Dame ist, was sie dazu bewogen hat, uns zu kontaktieren und was sie von Sexismus und den Kommentaren auf Facebook hält, lest Ihr hier:

Michaela Keupp

Wer bist Du und wie kam es zu dem Video?

Ich bin Michaela Keupp, Fachinformatikerin aus Würzburg. In der letzte Woche war in der Berichterstattung die gesellschaftliche Akzeptanz von Sexismus war ein dominierendes Thema. Ich dachte mir, dass das Thema auch in Würzburg angesprochen werden könnte. Würzburg erleben ist das Online Magazin in der Stadt, welches eine junge Zielgruppe anspricht, also ideal um eine solche Diskussion in Gang zu setzen.

 

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Was ist Sexismus und um was geht es eigentlich gerade in der landesweiten Diskussion?

Sexismus ist, wenn Menschen aufgrund ihres Geschlechts und diesem Geschlecht zugeordneter Klischees(bzw. Normverhalten) anders behandelt werden. Dabei wird die Person auf dieses Klischee reduziert.
Es geht in einer bunten Mischung um Alltagssexismus, Diskriminierung und sexuelle Übergriffe. Getriggert wurde das ganze durch den Bericht einer Journalistin, die von einem Politiker angegraben wurde und das publik gemacht hat. Es folgte auf  Twitter eine Welle mit dem Hashtag #aufschrei, unter dem viele Frauen und einige Männer sich von der Seele geschrieben haben, was sie erlebt haben oder was sie berührt hat.

 

Würzburg erlebenWas ist Alltagssexismus?

Immer dann, wenn die Reaktion eine andere ist, als wenn es ein Mensch vom anderen Geschlecht wäre mit dem man zu tun hat, das ist Alltagssexismus.
Ein Beispiel, ich arbeite an einem Computer. Ein Mensch männlichen Geschlechts ist mit dabei. Es kommt jemand Drittes hinzu und fragt etwas. Ich antworte. Und dann passiert der Alltagssexismus, da ich eine Frau bin, geht der Neue davon aus, das ich keine Ahnung habe und fragt den Mann nochmal direkt, ob das denn so ist. Oder sagt zu mir, „Ja, was sagt denn der Chef dazu?“, einfach weil er davon ausgeht, dass der andere in der Rangfolge und Kompetenz mir höher gestellt ist. Klischee: Frauen haben halt keine Ahnung von Computern.

Ist Sexismus auch eine Form der Machtausübung?

Ganz klar. Nicht nur zwischen Vorgesetzten und Angestellten, sondern genauso auch zwischen Kollegen kann es beim Sexismus um Macht gehen. Darum, die Oberhand zu gewinnen, den anderen zu verunsichern. In einem Fall dient der Sexismus dazu, einen Mitbewerber auf einen höheren Posten klein zu halten und auszustechen. Im anderen darum, ein Abhängigkeitverhältnis auszunutzen. In beiden Fällen wird Sexismus als Mittel zur Machtausübung genutzt.

Was könnten Frauen und Männer gegen Sexismus tun?

An erster Stelle steht ganz klar, akzeptieren dass es Sexismus gibt. Häufig sagt der Betroffene in einem Fall von Sexismus nichts, weil er nicht für prüde oder humorlos gehalten werden möchte. Hier gilt definitiv, dass die Entscheidung, was unangebracht war und was nicht bei demjenigen liegt, der betroffen ist.
Ein grundlegendes Problem ist „blaming the victim“ – das Opfer verantwortlich machen. Dazu gibts hier einen  tollen Blog Beitrag von @astefanowitsch. Öffnet die Augen!

Es gab gewisse Vorwürfe gegen die Piratenpartei – sind die Piraten  sexistisch?

Klare Antwort: Nein, Piraten sind nicht außergewöhnlich sexistisch. Dazu ein Erlebnis von mir: Wir waren im Mumble, einem Sprachchat. Bei einem technischen Thema sagte eine junge Frau „Das kann ich nicht, ich bin doch ne Frau!“ – das ist Sexismus. Die Reaktion war – „Schieb doch Dein Unvermögen nicht auf Deine Brüste, das kriegst Du  trotzdem hin. Und zwar folgendermaßen…“
Bei den Piraten ist das Thema schon etwas häufiger auf dem Tisch. Aber nicht weil sie sich besonders negativ hervortun, sondern weil sie andere Ansprüche bezogen auf das Thema haben.

Wie beurteilst Du die Kommentare auf Facebook zu Deinem Video? 

Von einigen hämisch bis spöttischen Kommentaren abgesehen, finde ich die Diskussion positiv – sie gibt einen guten Teil der Standpunkte zu dem Thema wieder. Vom „Stell Dich nicht so an“ über „fremdschämen“ bis zur Schilderung ähnlicher Erlebnisse war alles dabei.
Wir sollten die Gunst der Stunde nutzen und das Thema nicht einfach wieder in der Senke verschwinden lassen. Es gibt Sexismus, er geht in beide Richtungen (gegen Frauen sowie natürlich auch gegen Männer). Aber wenn wir nichts sagen, werden nur die gehört, die am lautesten schreien. Die ultra-Feministen und die Leugner von Sexismus. Und das hat das Thema nicht verdient.

httpvh://www.youtube.com/watch?v=oCrUWFNglnM
  

Wo ist die Grenze? Und war die beschriebene Situation jetzt für Dich ein Kompliment oder nicht?

Das ist schwierig zu sagen. Es hat viel mit Respekt zu tun. Wer respektvoll und wertschätzend mit seinen Mitmenschen umgeht, hat nichts zu befürchten. Jegleicher Spaß hört auf, wenn die Würde eines Menschen verletzt wird. Und das kann nur der Betroffene selbst sagen, wann dies geschieht. Dabei spreche ich absichtlich nicht von Frauen oder Männern, denn Sexismus kann beide Geschlechter treffen.
Eine Ergänzung: in dem Video hatte ich die Situation nicht komplett geschildert. Tatsächlich hat der Typ mir an den Hintern gefasst und mich dann gefragt, ob er ein Foto machen dürfte. Der Grad zwischen nur einem dummen Spruch und einer tatsächlichen Belästigung kann also echt schmal sein. Daher lautet meine Antwort zur Frage, die ich am Ende stelle, ob es als Kompliment verstanden werden sollte: Ohne Grabscher ja – mit definitiv nein.
 

Vielen Dank für das Gespräch!

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